Die Witwen von Paradise Bay - Roman
Produktivste, was er in der ganzen Zeit vollbracht hat, war sein Beitrag zum Sarg seiner Oma. Ich bin eine Rabenmutter. Ich blinzle die Tränen fort, aber das erweicht Howies Herz nicht. Seine Miene bleibt reglos.
»Sag meinem Sohn, ich warte im Wagen auf ihn«, faucht er. »Und beeil dich mit dem Verabschieden.«
Ich sehe ihm nach, sein Rücken wird immer kleiner, dann wende ich mich zum Haus. Dort steht Quentin. Offenbar wurde er Zeuge dieses hässlichen Streits zwischen seinen Eltern.
»Bin wohl nicht der Einzige, den man auf frischer Tat ertappt hat«, sagt er, lächelt mir verschwörerisch zu und wirft sich den Rucksack über die Schulter. Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht langsam zum Mietwagen seines Vaters. Beim Öffnen der Autotür sagt Quentin zu ihm: »Tot warst du mir irgendwie lieber.« Ich möchte lächeln, doch ich kann nicht. Dabei hat Quentin, seit unserer Ankunft hier, mir gegenüber noch keine so nette Geste gezeigt.
Ich stehe machtlos da und winke, bis mein Arm schmerzt. Als das Auto verschwunden ist, breche ich in Tränen aus.
Kapitel 21
Georgia
Ich habe seit vier Tagen das Haus nicht verlassen, nicht seit ich mit Fred geschlafen habe. Ich habe kaum das Bett verlassen. Mich plagen derart heftige Schuld- und Schamgefühle, weil ich die Erinnerung an meinen Mann verraten habe, dass ich in den Keller und an die Kisten mit Josephs Sachen gegangen bin. Ich brauche jetzt seine Dinge um mich. Seinen Mantel habe ich vor den Schrank gehängt, seine Lieblingsturnschuhe auf die Türmatte gestellt. Seine Kaffeetasse habe ich wieder ins Regal geräumt, neben meine, und seine Brieftasche, mit dem abgelaufenen Führerschein und der Krankenversichertenkarte, habe ich ans Tischende gelegt, als hätte er sie vergessen und käme sie gleich holen. Ich habe mir Josephs Lieblingssweatshirt angezogen. Es ist mir zu groß, und die Ärmel reichen mir fast bis zum Knie, doch wenn ich mich darin einwickle und mich sehr konzentriere, kann ich unter dem muffigen Dunst des Kellers vage Josephs Geruch erahnen. Ich bitte ihn immer wieder um Verzeihung, ich sage ihm, wie leid es mir tut und was für ein entsetzlicher Fehler es war. Mir ist wohl bewusst, dass mein Benehmen etwas Abwegiges hat. Ich habe den Eindruck, mir selbst dabei zuzusehen, wie ich den Verstand verliere, aber ich kann nicht anders.
Es hämmert laut an der Tür. Ich habe Angst, dass es Fred ist. Er hat gestern zwei Mal vorbeigeschaut, aber ich habe mich im Bett verkrochen und mir die Laken über den Kopf gezogen, bis sein Wagen so laut und schnell davongebraust ist, dass ich regelrecht vor mir gesehen habe, wie Freds matschiger Stiefel seine Wut am Gaspedal ausgelassen hat. Als ich die gedämpfte Stimme einer Frau höre, öffne ich die Tür. Prissy steht dort, wütend und verzweifelt. Meine verschwollenen, roten Augen, mein ungewaschenes Haar oder die Tatsache, dass ich Männerkleidung trage, scheint sie gar nicht zu bemerken.
»Wie konntest du?«, bestürmt sie mich. Aus jedem Wort trieft Abscheu. Sie drängt sich an mir vorbei und stellt sich neben Josephs Liegesessel.
Wie hat sie das von mir und Fred bloß herausbekommen? Wahrscheinlich erzählt er es überall herum und prahlt mit seiner Eroberung. Ich fühle mich noch viel schlechter als vor fünf Minuten, was eigentlich kaum möglich scheint.
»Ich weiß nicht«, flüstere ich. »Ich wollte gar nicht. Es ist einfach passiert, und ich fühle mich entsetzlich. Ich schäme mich so«, sage ich und weine in meine Hände.
Da ich ihre Anschuldigung untermauert habe, weiß Prissy offenbar nicht mehr, was sie noch tun soll. Sie setzt sich aufs Sofa und schaut unendlich traurig und verloren aus. Ihre Reaktion auf meine Begegnung mit Fred erstaunt mich schon. Ich kann es mir nur so erklären, dass Prissy selbst ein Auge auf Fred geworfen hatte. Das wäre eine unwahrscheinliche Paarung, aber eine andere Theorie habe ich nicht.
»Es tut mir leid, es wird nie wieder vorkommen. Ich wusste ja nicht, dass du ihn magst, das schwöre ich.«
»Ich mag ihn nicht, ich hasse ihn«, stöhnt Prissy. »Jetzt ist Quentin fort, und Howie wird das beim Scheidungsprozess gegen mich verwenden. Ich kann mich dann glücklich schätzen, wenn ich meinen Sohn künftig zu Weihnachten sehen darf. Ich hoffe nur, du bist jetzt zufrieden.«
Natürlich bin ich nicht zufrieden, nur verwirrt. »Prissy, wovon in Gottes Namen redest du?« Doch Prissy hat keine Gelegenheit, mir zu antworten, weil Lottie an die Tür klopft und
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