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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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an jemanden, der sich nichts daraus macht.«
    Ich brauche einen Anwalt, aber wie heuert man einen an? Ich blättere mit einer Begeisterung durch die Gelben Seiten, mit der man nach Onkologen, Abtreibungsärzten, Beerdigungsinstituten oder Zwangsvollstreckern suchen würde. Es spielt eigentlich keine Rolle, wen ich engagiere. Howie wird sowieso seinen Willen bekommen. Er ist clever und kennt alle möglichen Leute. Er hat sicher längst den besten Anwalt aus ganz Toronto an seiner Seite, und wenn ich mir vorstelle, wie mich ein Anwalt in den Zeugenstand ruft und zu Howies vorgetäuschter Gedenkfeier befragt, erscheint mir mein Verhängnis unausweichlich.
    Ich greife nach dem Telefon. Meine Mutter glaubt, ich würde einen Anwalt anrufen, aber ich rufe Quentin an, denn noch darf ich das. Ich habe Angst, dass mir eines Tages ein Richter auferlegen wird, Quentin nicht mehr zu kontaktieren, was natürlich lächerlich ist. Sogar cracksüchtige Mütter dürfen ihre Kinder sehen. Ich habe Quentin seither jeden Tag angerufen. Zum Glück gibt es Handys, so muss ich nicht mit Howie reden. Wir wechseln immer nur wenige Worte, und ich will sowieso bloß seine Stimme hören.
    »Hey, Süßer, hier ist Mom. Ich wollte nur Hallo sagen.«
    »Hey«, antwortet er.
    »Wie war’s heute in der Schule?«
    »Total scheiße. Mr. McFadden ist ein Arsch.«
    Mr. McFadden ist Quentins Klassenlehrer. Ich muss lächeln, weil mein Sohn immer mehr nach meinem Bruder klingt.
    »Du fehlst mir. Und deine Oma vermisst dich auch. Onkel Charlie sagt, er zählt die Tage, bis er wieder mit dir angeln kann.« Ich muss daran denken, wie Quentin als eifriger Fünfjähriger seinen ersten Fisch an den Haken bekommen hatte und mit vor Aufregung roten Pausbäckchen dastand, während mein Vater stolz lächelnd von dem Fang berichtete. Nun ist Quentins Gesicht meilenweit weg und der Abstand zwischen uns ein unüberwindlicher Abgrund.
    »Wir sehen uns bald, ja? Mach’s gut.«
    Meine Mutter, die mich die ganze Zeit beobachtet hat, wirkt sehr aufgewühlt. »Was wirst du jetzt tun?«
    Es ist so uncharakteristisch für meine Mutter, mir einmal nicht zu sagen, was ich tun soll, dass mich ihre Ratlosigkeit vorübergehend aus der Fassung bringt. Moms Ideen sind gewöhnlich ziemlich schräg und irre, aber wenigstens hat sie welche. Wenn meine Mutter mir nicht mehr sagt, was ich tun soll, gerate ich ins Schlingern, denn ich weiß nicht weiter. Im Grunde geht es mir seit jenem Abend im Juni so, seit mich Howie mit seiner Ankündigung kalt erwischt hat. Seither hinterfrage ich alles und meide Entscheidungen von größerer Tragweite. Ich zweifle an jedem einzelnen Tag der letzten sechzehn Jahre, gehe im Geiste unzählige Gespräche mit meinem Mann durch und frage mich, ob ich mich die ganze Zeit in ihm getäuscht oder er sich über Nacht verwandelt hatte.
    Das Einzige, woran ich nie gezweifelt hatte, war Howie, und wenn die Entscheidung für ihn ein Fehler war, ist alles sinnlos. Ich hatte mich entschieden, mich als Howard Montgomerys Ehefrau zu definieren, und wenn ich ihn verliere, verliere ich mich selbst. Jetzt zählt nur noch eines: Quentin. Ich bin wild entschlossen, nicht auch noch ihn zu verlieren. In einem seltenen Moment der Klarheit weiß ich, was ich tun muss.
    »Meine Ehe ist vorbei, Mom«, sage ich mit stockender Stimme. »Howie kommt nicht mehr zurück, der Tatsache muss ich endlich ins Auge blicken. Ich muss nach Toronto.« Meine Entschiedenheit und Bestimmtheit überraschen mich selbst. »Und zwar morgen.« Ich muss mich dem endlich stellen. Ich will nicht endlos mit Howie darüber streiten, wer was bekommt. Ich will es beenden, und ich kann die Dinge nicht anpacken, wenn ich am Küchentisch meiner Mutter sitze und mich vor der Wirklichkeit verstecke. »Ich muss das regeln, Mom, je früher, desto besser. Es löst sich nicht von alleine, und wenn ich es mir auch noch so sehr wünsche.«
    Meine Mutter sieht mich an, als hätte ich nun vollends den Verstand verloren. Ich ignoriere ihr Flehen, in Paradise Bay zu bleiben, und abends habe ich bereits gepackt und den ersten Flug am nächsten Morgen gebucht. Ich werde rechtzeitig da sein, um mit Quentin mittagessen zu gehen. Gegen zehn Uhr lege ich mich ins Bett. Vor lauter Vorfreude kann ich nicht schlafen.
    Endlich döse ich ein, doch mein Schlummer wird von einem Poltern unterbrochen, gefolgt vom Pfeifen des Wasserkessels. Das Pfeifen wird immer lauter, der Kessel droht zu explodieren. Benommen schlage ich die Decke

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