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Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lentz
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Berliner: »Ich bin alt, habe kein Geld, ich kann mich opfern.«
    In diesem Moment klatschen alle Düsseldorfer Beifall.

    Helmut Markwort, zitatensicherer Chefredakteur des Magazins ›Focus‹, zitierte in seinem wöchentlichen Magazin-Tagebuch Lessing, der 1767 über einen schleimenden Kritikerkollegen schrieb: »Der wahre Virtuose spottet über jede uneingeschränkte Bewunderung, und nur das Lob desjenigen kitzelt ihn, von dem er weiß, dass er auch das Herz hat, ihn zu tadeln.«

    Ein Hahn besichtigt seine Hühnerfarm. Er schreitet durch die Reihen, und vor mancher Henne bleibt er stehen und applaudiert ihr für die vorbildliche Lege-Arbeit. Nachdem er die Besichtigungstour beendet hat, zieht er ein Straußenei aus seiner Reisetasche und sagt: »Mädels , ich will ja nicht meckern, aber guckt mal, was die Konkurrenz macht . . .«

    Alle Menschen brauchen Zustimmung und Bestätigung. Künstler nennen es Applaus, Dichter erwarten die positive Kritik, und Manager fordern Tantiemen und ein Millionen-Gehalt. Die Fähigkeit eines Menschen, das Werk eines anderen zu bewundern, ist die Wurzel jeder Kunst. Applaus ist das Schmiermittel des Kulturbetriebs.
    Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, schreibt in seinem Buch ›Wieder zu Hause‹, dass »jüdische Künstler ein unstillbares Verlangen nach Beifall und Beliebtheit haben. Die Juden wollen angenommen werden. Der jüdische Filmkomiker Jerry Lewis hatte jahrelang ein Poster an seiner Bürotür hängen,auf dem stand: ›Zögern Sie nicht! Kommen Sie herein! Sie sind willkommen, und ich liebe Sie!‹ Und bitte lieben Sie mich, sollte das heißen.«
    Der Entertainer Robert Kreis erzählte mir, wie ihn die Sehnsucht nach Applaus in arge Verlegenheit brachte. Wer den Künstler nicht kennen sollte: Der 1949 auf Java geborene Robert Kreis präsentiert uns schon seit vielen Jahren Chansons und Couplets aus der Kabarettwelt der zwanziger und dreißiger Jahre. Dazu zieht er einen Frack an, streicht sich Pomade ins Haar und malt sich ein »Menjou«-Bärtchen an. Darüber hinaus benötigt er nur wenig, um seinen Figuren auf der Bühne Leben einzuhauchen: Eine kleine Geste, ein verschämter Blick, ein plötzliches Funkeln in den Augen, die zitternde Stimme einer alternden Diva.
    Nach einer Vorstellung im Düsseldorfer Schauspielhaus trafen wir uns mit Freunden im Theater-Restaurant »Monte Christo«. Der Entertainer freute sich so über seinen gerade erlebten Erfolg, dass er uns eine wahre Geschichte verriet, in der Beifall eine Rolle spielt:

    »Ich trat mit meiner Band in einem wunderbaren Theater auf. Ein kleines Haus. Ausverkauft . 100 Plätze. Bezauberndes Publikum.« Der Künstler strahlt. »Der Szenenapplaus wollte nicht enden. Aber ich musste hinaus in meine Kabine, das Kostüm wechseln und in die nächste Rolle schlüpfen. Eine alte Diva.«
    »Und dann? Mach’s nicht so spannend!« Christel kennt den Freund als munteren Plauderer.
    »Ich zog mir den alten Pelzumhang über. Die grauhaarige Frauenperücke. Lila Brille. Etwas Schminke. Und rannte los.«
    »Warum bist du gerannt?«, fragt Jürgen.
    »Ich wollte mit dem Applaus des letzten Liedes das neue beginnen. Ein Gewirr von Gängen. 50 Meter lang war die Strecke mindestens. Endlich die Tür. Ich öffnete sie. Betrat mit großer Geste die Bühne . . .«
    Robert schweigt. Wir sehen ihn an.
    »Was war?!« Kathrin will das Ende der Geschichte hören.
    »Gewaltig große Bühnenbilder! Und Musiker! Eine Sängerin!
    Ein Sänger! Ein Chor! Und alle sahen mich entsetzt an.«
    »Warum?«
    »Sie spielten auf der großen Bühne des Theaters den ›Figaro‹ .
    Und ich mittendrin. Eine alte Diva!«
    Die Freunde lachen. Erst leise.
    »Ich hatte die falsche Bühne erwischt. Das große Haus. 1000 Premierengäste blickten die alte Diva an, als wäre sie das Phantom der Oper.«
    Der Sänger lacht zusammen mit den Freunden und einigen Gästen des Lokals, die an Nachbartischen zugehört haben.»Und was hast du gemacht? Da auf der großen Bühne?«, fragt Werner in einer Atempause.
    Robert blickt in die Runde. Niemand wagt zum Glas zu greifen. An den Nachbartischen schweigen die Fremden. Der Kellner steht mit fünf Tellern dampfender Nudeln in der Hand und hat vergessen, wem er sie servieren soll.
    »›Toi , toi , toi‹ , habe ich den Kollegen zugerufen. Dann habe ich mich umgedreht, die Tür hinter mir zugeschlagen und bin gerannt, so schnell ich konnte. – Ich wollte doch den Applaus auf meiner eigenen

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