Die Witzekiste
Menschenansammlungen geübt zu haben, war bei einem Vortrag vor Führungskräften eines großen Unternehmens. Ich hatte den Auftrag, die von der Firma für ihre Mitarbeiter und Kunden herausgegebenen Publikationen zu beurteilen. Es gelang mir, meine Kritik so galant vorzutragen, dass es alle schluckten – und mir sogar applaudierten. Ein alter Hase in Sachen Auftritte vor großen Menschenmengen war natürlich auch unser ehemaliger Bundeskanzler Helmut Kohl:
Helmut Kohl sitzt im Flugzeug nach Italien. Staatsbesuch . Er wendet sich an einen Begleiter: »Wissen Sie, ich habe mir überlegt, ich sollte die Italiener bei meiner Ankunft auf Italienisch begrüßen und ein paar Worte reden. Aber ich kann kein Italienisch. Was schlagen Sie vor?«
Darauf der Begleiter: »Passen Sie auf. Ich sage Ihnen gleich ein paar Worte auf Italienisch, die Sie den Leuten zurufen können. Und für den Fall, dass Sie sie vergessen, werde ich Sie Ihnen auf die Rückseite Ihrer Krawatte auf einen kleinen Zettel schreiben, und die lesen Sie dann einfach vor.«
Kohl ist begeistert. Es vergeht noch knapp eine Stunde, und das Flugzeug landet in Rom. Die Tür geht auf, Kohl geht die Treppe hinunter, unten warten der italienische Außenminister sowie einige Reporter und Zaungäste. Kohl hat seinen Satz vergessen.
Also linst er unter seine Krawatte und ruft:
»Armani ! Armani!«
Das erste Mal, dass ich mich auf der Bühne wohler fühlte als im Publikum, war vor wenigen Jahren. Mein Freund Helmut Eichner, ein Maler, mit dem ich einige wilde Jugendjahre in Köln verbracht hatte, lud mich zu einer Lesung ein. Er stellte in seinem Atelier Bilder aus, seine Ehefrau Sabine sang klassische französische Liebeslieder, zwei Dichter trugen sehr ernste Lyrik vor. Ich las anschließend fröhliche, mit ein paar Witzen gespickte Kurzgeschichten. Daraus hier eine Kostprobe:
Eine berühmte Schauspielerin möchte am Abend besonders gut aussehen und will sich ein neues Kleid kaufen. Sie betritt eine Boutique und fragt die Verkäuferin: »Dürfte ich das blaurote Kleid im Schaufenster probieren?«
»Ja ! Aber wir haben auch Umkleidekabinen!«
Das erste Mal, dass ich auf einer berühmten Bühne stand, ist noch nicht so lange her. Zusammen mit Chris Howland und Dieter Thoma traten wir mit unserer Witzrevue ›Ganz Deutschland lacht!‹ im Düsseldorfer »Kom(m)ödchen« des unvergessenen Kabarettistenpaares Kay und Lore Lorentz auf. Am Nachmittag fragte ich mich wieder einmal, warum ich mir das antue, schloß aber Amsterdam von vornherein aus. In der Pause sprachen wir über Lampenfieber. Chris Howland meinte, er spüre es selbst nach vielen Bühnenjahren noch immer – und das wäre gut so. Es erhöhe die eigene Spannung und führe zu einem besseren Ergebnis beim Vortrag. Dieter Thoma lächelte.
Wenn ich damals in der Schule gewusst hätte, dass jeder Auftritt auf einer Bühne wie ein erstes Mal sein würde, hätte ich auf weitere Aktivitäten vor großen Menschenansammlungen verzichtet und die Tränen im Deutsch-Unterricht als Wink des Schicksals akzeptiert.
Für einen solchen Entschluss ist es jetzt – Gott sei Dank – zu spät.
PETER JAMIN
Einmal berühmt sein II . . .
Applaus!
Als der Grieche Phokion im Athener Parlament nach einer Rede tosenden Applaus erhielt, fragte er seinen Nachbarn: »Habe ich etwas Dummes gesagt?«
Applaus ist nicht einfach das neutrale Ergebnis eines Erfolgs, wie uns diese kleine Anekdote beweist. Für jeden hat Beifall eine andere Bedeutung und einen anderen Wert. Während der Dreharbeiten zu einem Fernsehfilm über die Folkwang-Schule in Essen fragte ich Schauspielschüler, was ihnen Beifall bedeute. »Applaus ist besser als jede Psychotherapie«, antwortete einer spontan. Für andere Nachwuchsdarsteller war der Beifall »eine Anerkennung meiner Leistung«, »etwas Wunderschönes« oder gar ein »Lebenselixier«.
Der französische Philosoph Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu sah das etwas anders; vielleicht, weil ihm nie applaudiert wurde. Er distanzierte sich vom Klatschen und warnte: »Für seine Arbeit muss man Zustimmung suchen, aber niemals Beifall.«
Solche Einwände stillen nicht die Sehnsucht der Menschen nach Applaus. Wir gieren geradezu nach Beifall, wobei festzustellen ist, dass wir Normalsterblichen so etwas wie lauten Beifall für unser Tun selten erleben dürfen. Schon in der Schule müssen wir uns mit einer guten Note begnügen, oder die Lehrer finden auf dem Elternsprechtag
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