Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
Corwin meldete über Funk, dass er wieder in seinem Streifenwagen saß, und fuhr auf den Highway Richtung Süden. Er grinste still in sich hinein, spürte wohl die leichte Spannung, die zwischen Julie und Josh bestand, und ihr Bemühen, sich nichts anmerken zu lassen.
Die Lichter der Stadt blieben rasch hinter ihnen zurück, und sie waren schon bald allein in der Wildnis. Es war immer wieder erstaunlich, wie menschenleer das Land außerhalb der wenigen Siedlungen war. Die Lichtkegel der Scheinwerfer brachten den festen Schnee zum Glänzen und strichen über die dunklen Bäume am Straßenrand. Der Motor des Streifenwagens lief erstaunlich leise, nur das Knarren der Räder im Schnee war zu hören.
»Ich will mir die Baldwins noch mal vornehmen«, sagte der Trooper, nachdem sie einige Zeit schweigend durch die Dunkelheit gefahren waren. »Hitzköpfe wie die beiden verquatschen sich öfter mal, wenn man sie in die Enge treibt. Anweisung vom obersten Chef nach den Tumulten an der Uni. Um Querelen mit dem National Park Service zu vermeiden, sollen wir wenigstens verhindern, dass sich die Wolfskiller in den Nationalpark schleichen.«
»Dann lassen Sie sich jetzt öfter bei uns blicken?«, fragte Julie.
»Sieht so aus«, erwiderte der Trooper. »Vor allem auf dem Highway werden wir nachts präsenter sein. Diese Baldwins sind mir schon lange ein Dorn im Auge. Sie knallen Wölfe ab und ich könnte schwören, sie wildern auch, innerhalb und außerhalb des Nationalparks. Ich bin mir fast sicher, sie handeln auch mit selbst gebranntem Alkohol und übertreten so ziemlich jedes Gesetz, das sich ihnen in den Weg stellt. Es wird höchste Zeit, dass wir etwas gegen sie in die Hand bekommen, sonst tanzen sie uns auf der Nase herum.«
Julie war der gleichen Meinung. »Wir halten ständig nach ihnen Ausschau, aber uns sind sie bisher auch nicht ins Netz gegangen. Der Nationalpark ist zu groß. Selbst mit dem Hubschrauber ist die Chance gering, sie zu finden und auf frischer Tat zu ertappen. Und sie sind bestimmt nicht die Einzigen, die im Park wildern.« Sie blickte nach vorn. »Was haben Sie mit Brian gemacht?«
»Wir haben ihn eine Nacht bei uns behalten … wollten ihm eine Lehre erteilen, aber so leicht lässt sich dieser Mistkerl nicht beeindrucken. Der wusste ganz genau, dass wir ihn nach vierundzwanzig Stunden wieder laufen lassen mussten. Aus dem Schneeball konnten wir ihm keinen Strick drehen. Das war ein bedauerlicher Unfall, würde jeder Anwalt sagen. Auch wenn Brian Baldwin wohl gehofft hat, Sie empfindlich zu verletzen. Tut mir leid, Ranger Wilson.«
»Julie … sagen Sie Julie zu mir.«
Die nächsten Meilen legten sie schweigend zurück. Josh drehte sich einige Male nach Julie um, als wollte er etwas sagen, sah dann aber wieder nach vorne und schwieg weiter. Um seine Verlegenheit zu überspielen, griff er nach seiner Thermosflasche und bot ihr heißen Tee an, doch sie schüttelte den Kopf und stellte sich schlafend, um ihn gar nicht mehr in Versuchung zu bringen. Sie wusste auch so, was ihm auf der Seele brannte. Er wollte sie zur Freundin, eine richtige Beziehung mit ihr anfangen und sich nicht auf zufällige und gelegentliche Treffen beschränken. Warum wollte er einfach nicht wahrhaben, dass sie sich im Augenblick kein Gefühlschaos leisten konnte und sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren wollte? Oder hielt sie sich selbst zum Narren? Wollte sie sich ein Hintertürchen für John offenhalten?
»Hey … da ist was auf der Straße!«, rief Josh in die Stille hinein.
Corwin trat geistesgegenwärtig auf die Bremse. Der Wagen drehte sich einmal um die eigene Achse und kam schlitternd zum Stehen. Im Scheinwerferlicht stand ein Wolf mit angelegten Ohren und verstörtem Blick. Sein Schweif hing nach unten. Die Körpersprache eines rangniederen Wolfes, eines Omegawolfes, wie ein Experte ihn nennen würde, den das Rudel zum Sündenbock degradiert hatte. An seinem linken Vorderlauf klebte ein Verband.
»Banu!«, rief Julie. »Das ist Banu, der Leitwolf des Rock-Creek-Rudels! Den jemand im Park angeschossen hat! Er muss zurück zum Rock Creek!«
Trooper Corwin schaltete die Scheinwerfer aus und die roten und blauen Warnlichter auf dem Wagendach ein. Im Schneckentempo fuhr er links an dem Wolf vorbei und ließ ein paarmal kräftig die Sirene aufheulen. Der Wolf, der im Scheinwerferlicht zu Stein erstarrt war, machte einen Satz zur Seite und rannte wie von Furien gehetzt über die Straße und in den Wald zurück. »Bis
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