Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
wenn es sich nur um eine harmlose Schwärmerei handelte. Ihr Praktikum war zu wichtig. Nur wenn sie ihr Bestes gab und sich keine Fehler erlaubte, würde man sie ins Team übernehmen. Nichts wünschte sie sich sehnlicher. Sie liebte Alaska. Und die Alaska Range, der gewaltige Gebirgszug im Zentrum des Staates, aus dem der Mount McKinley wie ein gewaltiger weißer Riese emporragte, war für sie der Mittelpunkt der Erde. Selbst als sie mit ihren Eltern zum Urlaub auf Hawaii gewesen war, hatte sie sich nach dieser urwüchsigen Gegend gesehnt. Natürlich musste man als junge Rangerin auch damit rechnen, in einem weniger bekannten Nationalpark in Kalifornien oder North Dakota eingesetzt zu werden, doch sie würde nicht eher ruhen, bis sie eine feste Anstellung im Denali National Park bekam.
Bis jetzt sah es gut aus. Sie hatte den Verantwortlichen bewiesen, wie gut sie mit Huskys und mit einem Hundeschlitten umgehen konnte. Auch auf der Wanderung zum Mount McKinley hatte sie sich hervorgetan. Obwohl Josh dabei gewesen war, hatte sie sich nicht durch ihn ablenken lassen und tatkräftig geholfen, einen gefährlichen Verbrecher festzunehmen. Der Super hatte sie ausdrücklich gelobt, ihr aber auch nahegelegt, die tägliche Routine nicht zu vernachlässigen. Von einer Rangerin wurde viel verlangt, besonders in einem riesigen Nationalpark wie Denali. Und gerade als Praktikantin war man auch mal mit langweiligen Arbeiten wie dem Putzen des Hundezwingers dran. Eine Aufgabe, die sie gern erledigte. Sie liebte Huskys über alles, verstand sich bestens mit ihren Hunden und wollte, dass sie sich wohlfühlten.
Die meisten Ranger waren schon im Vortragsraum des Murie Centers, als Julie und Carol dort ankamen. Das Gebäude diente im Winter als Besucherzentrum und war mit seiner Bibliothek und seinem großen Archiv vor allem für Studenten interessant, die sich wissenschaftlich mit Alaska und der Arktis beschäftigten. Die Rangerinnen fanden zwei Plätze in der vorletzten Reihe.
Julie gab sich alle Mühe, keine Reaktion zu zeigen, konnte aber nicht verhindern, dass sie errötete und weiche Knie bekam, als John den Vortragsraum betrat. Was, zum Teufel, war bloß mit ihr los? Jahrelang hatte sie keinen festen Freund gehabt und seit ihrem Abschlussball eher einen Bogen um Männer gemacht, und kaum fing sie ihr Praktikum bei den Rangern an, liefen ihr gleich zwei Kandidaten über den Weg. So war das wohl immer, wenn sie ihrer Freundin Brandy glauben durfte: Wenn man Zeit hatte und einen Freund suchte, passierte gar nichts. Doch kaum hatte man gerade keinen Kopf für Liebesabenteuer, ritten von allen Seiten die Prinzen auf ihren weißen Pferden heran. Brandy übertrieb gern. Sie hielt sich für die absolute Expertin in Liebesdingen, obwohl sie selbst am meisten Mist baute und Julie jeden Monat einen neuen Lover vorstellte. Und jedes Mal war der Neue natürlich Mister Right.
Julie spürte den neugierigen Blick von Carol, die neben ihr saß, und riss sich zusammen. Sie befand sich unter erwachsenen Menschen und nicht auf der Highschool. Interessiert beobachtete sie, wie Superintendent Green sich von seinem Platz in der ersten Reihe erhob und die Ranger begrüßte. »Sie alle wissen über unser Wolf Monitoring Program Bescheid«, fuhr er fort. »Mit der Kennzeichnung ausgesuchter Wölfe und ihrer Verfolgung durch GPS und Funk wollen wir herausfinden, wie oft die Wölfe unserer Rudel die Parkgrenzen überschreiten und warum ihre Sterblichkeitsrate so rasant gestiegen ist. Aber dazu kann Ihnen John sicher mehr erzählen. Wie Sie wissen, leitet Dr.John Blake von der University of Alaska das Wolf Monitoring Program für uns.«
John wirkte etwas älter und gesetzter, als er vor die Zuhörer trat, was auch daran lag, dass er Sakko und Krawatte trug und sogar auf einen Scherz verzichtete, mit dem die meisten Wissenschaftler ihre Reden begannen. »Tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Teil Ihres Abends stehle«, sagte er stattdessen, »aber die Aufzeichnungen der letzten Tage geben leider Anlass zu einiger Besorgnis.« Er lehnte sich gegen das Sprecherpult und ließ seinen Blick über die Zuhörer schweifen. Als er Julie entdeckte, schien er zu lächeln. Sie errötete erneut, versteckte sich rasch hinter einem Taschentuch und schneuzte sich. »Ich darf den Wissenschaftler zitieren, der diesem Zentrum seinen Namen gab, weil er als erster Wölfe in ihrem natürlichen Lebensraum erforschte. Adolph Murie schrieb: › 1939 war kaum etwas darüber bekannt,
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