Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Interaktionen zwischen diesen drei Spezies betreffen Nahrungsquellen.
Das Verhalten von Bären und Wölfen während dieser Begegnungen hängt von verschiedenen Faktoren ab wie Geschlecht, Alter, Verfügbarkeit der Beute, Hunger, Aggression, Anzahl der Tiere und vorherige Erfahrungen bei ähnlichen Zwischenfällen.
Von Wölfen erlegte Beute ist heiß begehrt, und obwohl die Wölfe ihnen zahlenmäßig fast immer überlegen sind, sind die Bären meistens die Gewinner und übernehmen die Kontrolle an einem Kadaver. Einmal konnte ich beobachten, wie ein Grizzly neun Wölfe in Schach hielt. Der Bär legte sich schließlich zum Schlafen auf den Hirsch. Die Wölfe gaben auf und töteten einen anderen Hirsch.
Aber nicht nur beim Fressen gibt es Interaktionen. Ich sah, wie eine Bärenmutter mit zwei Jungen von fünf Wölfen gejagt wurde – und ihrerseits die Wölfe wieder jagte. Den Wölfen wurde es irgendwann zu bunt und sie zogen 250 Meter weiter, wo sie sich erneut niederließen. Die Bärin graste friedlich nebenan, während ihre zweijährigen Jungen mit den Wölfen zu »spielen« schienen.
Kritische Interaktionen Bär-Wolf gibt es auch in Höhlennähe. So versuchte ein Grizzly zweimal, sich einer Wolfshöhle zu nähern. Die Wolfsmutter und zwei Jährlinge wechselten sich ab, um den Bären wegzujagen. Nach 15 Minuten entfernte sich der Bär von der Höhle. Die Leitwölfin folgte ihm, während die Jährlinge zur Höhle zurückkehrten. 25 Minuten später kehrte auch die Leitwölfin zurück. Eine Stunde später erschien der Grizzly wieder auf der Bildfläche. Erneut versuchten die Wolfsmutter und ein Jährling, ihn fortzujagen. Die Wölfin umkreiste den Bären, wedelte mit dem Schwanz, scharrte nur zwei Meter vom Bär entfernt auf dem Boden. Beide Wölfe umkreisten den Grizzly und rannten immer wieder auf ihn zu. Nach sieben Minuten waren Bär und Wölfin außer Sicht. Der Grizzly kehrte nicht mehr zurück.
Meist ist es der Leitwolf, der als erster einen Grizzlybären angreift. So sah ich einmal, wie ein Grizzly auf eine Wolfshöhle zumarschierte, in der sich Welpen befanden. Der Leitwolf stand von seinem Schlafplatz auf, rannte auf den Bären zu und trieb ihn von der Höhle fort, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte. 25 Minuten später kamen beide zurück, der Bär dicht gefolgt vom Leitwolf. Beide liefen an der Höhle vorbei.
Nicht nur Wolfswelpen sind gefährdet, sondern umgekehrt werden auch Grizzlyjunge von Wölfen getötet. Im Mai 2002 beobachtete ich mehrere Tage lang eine Grizzlybärin mit zwei Jungen. Eines Tages erschien die Bärin mit nur noch einem Jungen. Wenige Tage darauf versuchten die Wölfe, den kleinen Bären anzugreifen. Dies gelang ihnen nicht, da die Bärenmutter ihn beschützte, indem sie sich über ihn stellte. Immer wenn die Wölfe angriffen, schob sie ihn unter ihren Bauch und schlug mit ihren Pranken nach den Angreifern. Ich vermute, dass die Bärin bereits ein Junges an die Wölfe verloren und nun gelernt hatte, wie sie das zweite Junge besser beschützt.
Es sind aber auch Fälle von gemeinsamer Tötung von Beutetieren beobachtet worden:
Im März 2000 folgte ein Grizzly einem Rudel Wölfe, das vergeblich versucht hatte, eine kleine Bisonherde anzugreifen. Schließlich verletzten sie ein Bisonkälbchen, das aber immer noch von mehreren großen Bisonbullen beschützt wurde.
Plötzlich griffen die Wölfe das Kalb von der einen Seite an und der Bär schlug von der anderen Seite zu. Während sich mehrere Grauröcke in das Kalb verbissen, versuchte der Rest von ihnen, den Grizzly davonzujagen. Dieser täuschte einen Rückzug vor, um gleich darauf wieder an den ihn verfolgenden Wölfen vorbeizurennen und mit seiner Pranke die Hinterbeine des Kalbs festzuhalten, während die anderen Wölfe sich in dessen Nase verbissen. Der Grizzly ging schließlich als Sieger hervor und begann, zu fressen. Die Wölfe lagen nur wenige Meter entfernt und warteten. Ihre Stunde war gekommen, als ein paar kräftige Bisonbullen zurückkamen und den Grizzly vom Kalb fortjagten. Sofort fraßen die Wölfe gierig am Kadaver. Nur zwanzig Minuten später kam der Grizzly zurück und löste die Kaniden wieder ab.
Rotes Fleisch ist eine reichhaltige Quelle von Nährstoffen und Energie. Wo es nicht zur Verfügung steht, sind Grizzlys von Pflanzen, Wurzeln, Beeren und Insekten abhängig. Winterschlaf und Winterruhe sind eine Anpassung der Natur an den Nahrungsmangel im Winter. (Darum halten Bären im Zoo, die regelmäßig
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