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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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schmale Schnauze setzte. Schon als die Wölfe noch in den Gehegen waren, nahm die Vokalisierung der Kojoten in der Nähe zu. Im ersten Winter nach ihrer Rückkehr hatten die Wölfe bereits 13 ihrer kleineren Verwandten getötet. Zwischen 1996 und 1998 ging die Kojotenpopulation um 50 Prozent zurück – teilweise sogar um 90 Prozent in Gebieten, die vollständig von Wölfen besetzt waren. Im Lamar Valley ging in dieser Zeit die Zahl der Kojoten von 80 auf 36 Tiere zurück und die durchschnittliche Gruppengröße verringerte sich von sechs auf 3,8 Tiere.
    Bei 84 Prozent aller Interaktionen der beiden Spezies siegen die Wölfe. Gleichwohl bieten von Wölfen getötete Tiere auch reichlich Nahrung für die Kojoten. Ein Wolf kann bis zu neun Kilo Fleisch auf einmal fressen. Die durchschnittliche Größe eines Wolfsrudels in Yellowstone beträgt zwölf Tiere. Das bedeutet, dass eine Menge Fleisch übrig bleibt, manchmal bis zu 140 Kilo. Wenn die Wölfe satt sind, ziehen sie weiter, ohne den Kadaver zu bewachen. Kurze Zeit später treffen Kojoten, Raben und Adler ein, um ihren Teil des Fleisches zu beanspruchen. Für diesen enormen Futtervorrat muss ein Kojote eine Menge Mäuse töten. Die kleinen Kaniden kauen ihre Nahrung nicht, sondern schlingen sie in ganzen Stücken hinunter. Wenn sie zu einem Kadaver kommen, schlingen sie so viel wie möglich in sich hinein und machen sich dann gleich wieder davon. Denn obwohl ein solcher Hirschkadaver genügend Futtervorrat bietet, ist diese neue Nahrungsquelle ein doppelschneidiges Schwert. Oft gibt es Konfrontationen, und fast immer ist der Kojote der Verlierer. Wenn ein Kojote seinen Kopf im Kadaver hat, kann es geschehen, dass sich Wölfe heranschleichen und ihn töten.
    Nach der Wiederansiedlung der Wölfe waren die Kojoten begeistert von den vielen Kadavern, die plötzlich überall herumlagen. Sie hatten entweder noch nicht den Grund für das neue Schlaraffenland entdeckt, oder sie waren so gierig nach der Menge Frischfleisch, dass sie nicht vorsichtig genug waren.
    Aber zehn Jahre nach der Wiederansiedlung und dem Tod zahlreicher Artgenossen sind die Kojoten sehr viel wachsamer geworden. Wenn sie jetzt an einem Kadaver sind, schauen sie zuerst über ihre Schulter, bevor sie ein Stück Fleisch herausreißen. Manchmal steht einer abseits und hält Wache, während die anderen sich die Bäuche vollschlagen. Dann wechseln sie sich ab. Oft genug warten die Kojoten auch in Sichtnähe der Wölfe, während diese noch am Kadaver fressen.
    Die Wölfe haben nicht nur eine große Anzahl Kojoten getötet, sie haben auch viele aus ihren Revieren vertrieben.
    Aber der »Trickster« – wie der Kojote von den Indianern genannt wird – wäre kein Überlebenskünstler, wenn er nicht gelernt hätte, sich auch dieser neuen Situation anzupassen. So haben die Tiere erkannt, dass in der Größe ihres Rudels eine gewisse Sicherheit liegt. Vor der Wiederansiedlung der Wölfe waren die Kojoten meist alleine oder gelegentlich in Gruppen von zwei bis drei Tieren unterwegs. Heute treten sie geschlossener auf und sind oft als Großfamilie unterwegs. Ich habe schon bis zu neun Kojoten an einem Kadaver beobachtet. Viele Kojotenrudel halten sich auch in den Grenzgebieten von Wolfsterritorien auf. Dort haben sie eine bessere Überlebenschance und sind gleichzeitig doch in der Nähe des Futters.
    Wenn mehr Kojoten als Wölfe da sind, kann sich der Spieß umdrehen. Kojoten haben schon Einzelwölfe und Wolfswelpen angegriffen und fortgejagt. Wenn eine Gruppe von drei oder mehr Kojoten auf einen einzelnen Wolf an einem Kadaver trifft, können sie durchaus den Wolf davonjagen. Wenn eine Kojoten- und eine Wolfsgruppe gleicher Größe (sechs bis acht Tiere) aufeinandertreffen, fixieren sie sich und überprüfen ihre Chancen. Manchmal geraten sie in einen Kampf oder jagen sich gegenseitig fort.
    Ab und an gibt es auch amüsante Zwischenfälle. So berichtet Brian Connolly, Autor des Buches »Wolftagebuch«, in einer E-Mail vom Juni 2003, wie ein Wolf sich der Verfolgung durch Kojoten nur mit einem Trick entziehen konnte:
    Connolly hatte beobachtet, wie die junge Druid-Wölfin »Half Black« von zwei Kojoten verfolgt und gebissen worden war. Sie »rettete« sich zu einem Grizzly, der die Kojoten mit heftigen Prankenhieben vertrieb. Dann lief die Wölfin am Rande eines Wäldchens entlang, immer den Bär im Gefolge, dem wiederum die Kojoten nachliefen. Wenn der Bär zu langsam wurde, wartete die Wölfin auf ihn. So blieb

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