Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Schnee schmilzt, damit sie ihn mit ihren mächtigen Köpfen zur Seite schieben können, um an das Gras zu kommen. So können sie Energie sparen. Die Wölfe testen in dieser Zeit wiederholt die Büffel auf Zeichen von Schwäche. Die potenzielle Beute hat eine gute Chance, zu überleben, wenn sie stehen bleibt und sich verteidigt. Ich habe gesehen, dass die Wölfe einen Bison etwa vier Mal auf Schwäche testeten, bevor sie aufgaben. Ist er erst einmal getötet, dann ist es für die Wölfe wahrlich »das große Fressen«. Ich habe an einem Bisonkadaver von etwa einer Tonne Gewicht schon bis zu 20 Wölfe fressen sehen.
Jeder Kadaver wird jedoch innerhalb kürzester Zeit (das bedeutet unverzüglich bis spätestens nach einem halben Tag) von einem Grizzlybären in Beschlag genommen. Das Pelican Valley ist bekannt für seine hohe Konzentration an Grizzlys, die – dank des gedeckten Tisches – sehr früh aus dem Winterschlaf erwachen. Wenn der Grizzly kommt, machen die Wölfe Platz, wenngleich sie manchmal auch gemeinsam an einem Kadaver fressen.
Mollies Rudel tötet im Pelican Valley alle fünf bis sieben Tage einen Bison. Doug Smith wanderte im letzten März auf Langlaufski in das Tal und beobachtete, wie hart es für das Rudel ist, die Beute zu erlegen. Es gelang ihm, den Zwischenfall auf Video aufzunehmen. Bevor der Bison von acht Wölfen schließlich erlegt wurde, tötete er eine 55 Kilo schwere, zehn Monate alte Wölfin und nahm zwei weitere Wölfe auf die Hörner und schmiss sie in hohem Bogen durch die Luft. Die Leitwölfin trug bei der Aktion ebenfalls eine Verletzung davon und hinkte schwer.
Eine aufregende Jagd auf Bisons schildert James Halfpenny in seinem Buch »Yellowstone Wolves. In the Wild«:
»Im Mai 1999 wurde eine Herde mit 150 Bisons beobachtet, wie sie in tiefem Schnee von Wölfen gejagt wurde. Einen ganzen Tag lang dauerte die wilde Jagd. Mal jagten die Wölfe die Bisons, mal die Bisons die Wölfe. Auf schneefreien Plätzen waren die Beutetiere im Vorteil. Dann warteten die Wölfe geduldig, bis die Bisons das Gras auf diesen Flecken gefressen hatten und weiterziehen mussten. Galoppierend versuchten die Bisons dann, den nächsten Grasflecken zu erreichen. Dies war der Moment, in dem die Wölfe angriffen und sich in Tiere verbissen, die entweder in den tieferen Schnee einbrachen oder zurückblieben. Ein kräftiger Bison, in den sich einmal zehn Wölfe verbissen hatten, zog alle Grauröcke bis zum nächsten schneefreien Platz. Dort – und nur dort, auf den Grasflächen – griffen einige stämmige Bisons ihrerseits die Wölfe an und befreiten ihren in Bedrängnis geratenen Gefährten. Am Ende des Tages war schließlich eine drei Jahre alte Bisonkuh so langsam geworden und so verletzt, dass sie es nicht mehr bis zur rettenden Grasstelle schaffte. Zu viele Wölfe hatten sich in sie verbissen. Und so erhielten die Wölfe zu guter Letzt doch noch ihre schwer verdiente Mahlzeit.«
Wenn im Lamar und im Hayden Valley während der Brunftzeit der Bisons, die Bullen bei ihren Kämpfen um die Weibchen sterben, dann ist ihr Fleisch eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere.
Bisons sind die furchterregendsten Beutetiere der Wölfe. Wenn Isegrim also eine Wahl hat, dann wird er immer Hirsche vorziehen. Halten sich viele Wolfsrudel im Park auf, dann müssen einzelne Gruppen in Gebiete mit anderen Nahrungsquellen abwandern. Im Großen und Ganzen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Wölfe langfristig keinen Einfluss auf die Bisonpopulation haben werden.
Wölfe und Elche
Elche (Alces alces shirasi) sind die größten Mitglieder der Hirschfamilie in Yellowstone. Ein Elchbulle kann bis zu 400 Kilogramm wiegen und über 2,5 Meter Schulterhöhe haben. Elche ernähren sich im Sommer von Wasserlilien und Wasserlinsen. Ihre Hauptnahrungsquelle jedoch sind die Blätter und Zweige der Weiden und oberhalb von 2.700 Metern Nadelhölzer. Die meisten Elche von Yellowstone halten sich im Winter in diesen Hochgebieten auf, wo sich Douglasienbestände befinden. Dort finden sie nicht nur reichlich Nahrung, sie können sich im dichten Wald auch leichter bewegen, weil der Schnee hier nicht so hoch liegt.
Die Paarungszeit der Elche beginnt Ende September, Anfang Oktober. Im Mai und Juni bringt die Elchmutter ein oder zwei Kälber zur Welt, die stets eng bei ihr bleiben. Trotzdem werden immer wieder Elchkälber Beute von Bären oder Wölfen. Ein erwachsener Elch dagegen kann diesen Prädatoren davonrennen oder
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