Die Wohlgesinnten
»Ich halte Sie für einen Ehrenmann, Herr Oberstarzt. Darf ich auf Sie als Sekundanten rechnen?« Jetzt zuckte er mit den Achseln. »Wenn Sie es wünschen. Aber es ist töricht.« Ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Machen Sie sich keine Sorgen! Es wird schon gut gehen. Aber vergessen Sie Ihren Wein nicht, wir brauchen ihn noch.« Wir gingen auf sein Zimmer und leerten die erste Flasche. Ich erzählte ihm von meinem Leben und meiner Freundschaft zu Voss: »Ich schätze ihn sehr. Er ist ein bemerkenswerter Mensch. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was sich diese Schweine ausmalen.« Dann schickte ich ihn zum Geschäftszimmer des Teilkommandos und machte mich an die zweite Flasche, während ich auf ihn wartete, rauchte und zusah, wie dieHerbstsonne auf dem großen Park und den Flanken des Maloje sedlo spielte. Nach einer Stunde kam er zurück. »Ich muss Sie warnen«, sagte er ohne Umschweife, »die hecken eine üble Sache aus.« – »Inwiefern?« – »Als ich in die Schreibstube kam, habe ich sie johlen hören. Ich habe den Anfang der Unterhaltung zwar nicht gehört, aber mitbekommen, wie der Dicke sagte: ›Auf die Art gehen wir kein Risiko ein. Außerdem verdient er es nicht anders.‹ Darauf hat Ihr Gegner – der, der wie ein Jude aussieht, ist er das? – geantwortet: ›Und sein Zeuge?‹ Der andere schrie: ›Selber schuld!‹ Danach bin ich hineingegangen, und sie sind verstummt. Ich glaube, die wollen uns einfach umbringen. So viel zur Ehre der SS!« – »Keine Sorge, Herr Oberstarzt. Ich werde meine Vorkehrungen treffen. Sind Sie sich über die Bedingungen einig geworden?« – »Ja. Wir treffen uns morgen Abend um sechs Uhr am Ortsausgang von Shelesnowodsk und suchen eine abgelegene Balka . Der Tote wird den Partisanen in die Schuhe geschoben, die sich dort herumtreiben.« – »Richtig, die Bande von Pustow. Das ist eine gute Idee. Wollen wir essen gehen?«
Nachdem ich herzhaft gegessen und getrunken hatte, kehrte ich nach Pjatigorsk zurück. Hohenegg war während des Abendessens verstimmt gewesen: Ich konnte sehen, dass er meine Handlungsweise und diese ganze Geschichte missbilligte. Ich befand mich noch immer in einem seltsam überreizten Zustand; es war, als hätte man mir eine große Last von den Schultern genommen. Turek würde ich mit Vergnügen niederschießen; aber ich müsste die Falle vermeiden, die Pfeiffer und er mir stellen wollten. Eine Stunde nach meiner Rückkehr klopfte es an der Tür. Ein Melder des Kommandos überreichte mir ein Papier. »Tut mir leid, Sie noch so spät stören zu müssen, Hauptsturmführer. Ein dringender Befehl vom Gruppenstab.« Ich riss das Schreiben auf: Bierkamp befahl mich um acht Uhr mit Turek zum Rapport.Jemand hatte ihm den Vorfall hinterbracht. Ich schickte den Melder fort und sackte auf dem Sofa zusammen. Ich hatte das Gefühl, unter einem Fluch zu stehen: Wie ich es auch anstellte, jede lautere Tat schien mir verwehrt zu sein! Ich glaubte, den alten Juden in seinem Grab auf dem Maschuk zu sehen, wie er über mich lachte. Vollkommen erschöpft, brach ich in Tränen aus und schlief, noch vollständig angezogen, weinend ein.
Am nächsten Morgen fand ich mich zur angegebenen Zeit in Woroschilowsk ein. Auch Turek war gekommen. Wir standen in Grundstellung vor Bierkamps Schreibtisch, Seite an Seite, ohne weitere Zeugen. Bierkamp kam gleich zur Sache: »Meine Herren, mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie sich öffentlich in einer Weise geäußert haben sollen, die sich für SS-Offiziere nicht ziemt, und dass Sie, um Ihren Streit beizulegen, eine Vorgehensweise ins Auge gefasst haben, die nicht nur die Dienstvorschrift ausdrücklich verbietet, sondern die Gruppe auch um zwei wertvolle und schwer zu ersetzende Offiziere bringen würde; denn Sie dürfen sicher sein, dass der Überlebende unverzüglich vor ein SS- und Polizeigericht gestellt und zum Tode oder Konzentrationslager verurteilt würde. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie hier sind, um Führer und Volk zu dienen, und nicht, um Ihre persönlichen Animositäten auszutragen: Wenn Sie Ihr Leben unbedingt opfern wollen, dann tun Sie es für Volk und Vaterland. Ich habe Sie beide also hierherbefohlen, damit Sie sich entschuldigen und aussöhnen. Das ist ein Befehl.« Weder Turek noch ich antworteten. Bierkamp sah Turek an: »Hauptsturmführer?« Turek blieb stumm. Bierkamp wandte sich an mich: »Und Sie, Hauptsturmführer Aue?« – »Bei allem schuldigen Respekt, Oberführer, meine
Weitere Kostenlose Bücher