Die Wohlgesinnten
beleidigenden Äußerungen waren eine Antwort auf die Anwürfe des Hauptsturmführers Turek. Ich bin daher der Meinung, dass es an ihm ist, sich als Erster zu entschuldigen, sonst sehe ich michgezwungen, meine Ehre ohne Rücksicht auf die Folgen zu verteidigen.« Bierkamp wandte sich an Turek: »Stimmt es, Hauptsturmführer, dass von Ihnen die ersten ehrenrührigen Äußerungen kamen?« Turek presste die Kiefer so fest zusammen, dass die Muskeln hervortraten: »Jawohl, Oberführer«, stieß er endlich hervor, »das stimmt.« – »In diesem Falle befehle ich Ihnen, sich bei Hauptsturmführer Dr. Aue zu entschuldigen.« Turek machte eine halbe Kehrtwendung, schlug die Hacken zusammen und blickte mich an, immer noch in Grundstellung; ich tat es ihm gleich. »Hauptsturmführer Aue«, sagte er langsam, mit gepresster Stimme, »ich bitte Sie in aller Form für die beleidigenden Äußerungen über Ihre Person um Entschuldigung. Ich habe mich unter dem Einfluss von Alkohol hinreißen lassen.« – »Hauptsturmführer Turek«, erwiderte ich mit heftig pochendem Herzen, »ich nehme Ihre Entschuldigung an und bitte Sie in diesem Sinne, mir auch meine kränkende Reaktion nachzusehen.« – »Gut so«, sagte Bierkamp schroff. »Jetzt reichen Sie sich die Hände.« Ich ergriff Tureks Hand und stellte fest, dass sie feucht war. Dann nahmen wir wieder Grundstellung ein. »Meine Herren, ich weiß nicht, was Sie zueinander gesagt haben, und möchte es auch nicht wissen. Ich freue mich, dass Sie sich ausgesöhnt haben. Sollte sich ein derartiger Zwischenfall wiederholen, lasse ich Sie in ein Strafbataillon der Waffen-SS versetzen. Ist das klar? Wegtreten!«
Nachdem ich, noch immer völlig durcheinander, den Raum verlassen hatte, suchte ich Dr. Leetsch in seinem Dienstzimmer auf. Von Gilsa hatte mir mitgeteilt, dass ein Aufklärer des Heeres das Gebiet von Schatoi überflogen und zahlreiche bombardierte Dörfer fotografiert hatte; doch das IV. Fliegerkorps behauptete nachdrücklich, seine Maschinen hätten keinen Angriff auf Tschetschenien geflogen, daher machte man für die Zerstörungen die sowjetische Luftwaffe verantwortlich, was die Gerüchte eines sehr umfangreichenAufstandes zu bestätigen schien. »Kurreck hat bereits mehrere Männer in den Bergen mit dem Fallschirm abgesetzt«, teilte Leetsch mir mit. »Doch seither haben wir keine Verbindung mit ihnen. Entweder sind sie alle fahnenflüchtig, oder man hat sie getötet beziehungsweise gefangen genommen.« – »Die Wehrmacht hofft, eine Rebellion im rückwärtigen Gebiet der Sowjets könnte die Offensive auf Ordshonikidse erleichtern.« – »Vielleicht. Doch meiner Ansicht nach ist sie längst niedergeschlagen, wenn sie überhaupt stattgefunden hat. Ein solches Risiko würde Stalin nie eingehen.« – »Vermutlich. Würden Sie mich informieren, falls Sturmbannführer Kurreck etwas in Erfahrung bringen sollte?« Beim Hinausgehen erblickte ich Turek, wie er, gegen einen Türpfosten gelehnt, mit Prill sprach. Sie verstummten und beobachteten mich, während ich an ihnen vorbeiging. Höflich grüßte ich Prill und fuhr nach Pjatigorsk zurück.
Hohenegg, mit dem ich mich noch am selben Abend traf, wirkte nicht gerade enttäuscht. »Das ist das Realitätsprinzip, lieber Freund«, erklärte er. »Das wird Sie in Zukunft hoffentlich davon abhalten, den romantischen Helden zu spielen. Lassen Sie uns was trinken.« Doch die Geschichte wurmte mich. Wer mochte uns bei Bierkamp verraten haben? Sicherlich Kameraden von Turek, die Angst vor dem Skandal hatten. Vielleicht hatte auch einer von denen, die von der Falle wussten, sie verhindern wollen? Kaum denkbar, dass Turek selbst Skrupel bekommen hatte. Ich fragte mich, was er mit Prill ausheckte: sicherlich nichts Gutes.
Neue Aufgaben ließen die Affäre in den Hintergrund treten. Von Mackensens III. Panzerkorps führte, von der Luftwaffe unterstützt, die Offensive gegen Ordshonikidse; die sowjetischen Verteidigungslinien vor Naltschik brachen binnen zwei Tagen zusammen, und Ende Oktober nahmen unsere Truppen die Stadt ein, während die Panzer ihren Vorstoß nach Osten fortsetzten. Ich forderte ein Fahrzeugan und fuhr zunächst nach Prochladny, wo ich mit Persterer zusammenkam, dann nach Naltschik. Es regnete, aber das behinderte den Verkehr nicht allzu sehr; hinter Prochladny verbesserten die Nachschubkolonnen die Verpflegungssituation. Persterer traf Vorbereitungen, seinen Kommandostab nach Naltschik zu verlegen, und hatte bereits ein
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