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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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es sich hier um einen rassisch gefährlichen Feind handelt.« – »Mit Verlaub, Herr Oberführer«, warf Bräutigam ein, »davon bin ich nicht überzeugt.« – »Das liegt daran, dass Sie Zivilist sind und einen zivilen Standpunkt haben, Herr Doktor«, erwiderte Bierkamp schroff. »Es ist kein Zufall, dass der Führer es für richtig hielt, die Sicherheitsbelange des Reichs der SS anzuvertrauen. Da spielt auch die Frage der Weltanschauung eine Rolle.« – »Niemand bezweifelt hier die Kompetenzen der Sicherheitspolizei oder der SS, Oberführer«, meldete sich Köstring mit seiner gemessenen väterlichen Sprechweise wieder zu Wort. »Ihre Verbände sind der Wehrmacht eine wertvolle Hilfe. Trotzdem muss die Militärverwaltung, die ebenfalls aufgrund eines Führerbefehls gebildet wurde, alle Aspekte der Frage berücksichtigen. Politisch würde uns hier eine nicht völlig gerechtfertigte Aktion gegen die Bergjuden erheblich schaden. Es müssten schon sehr triftige Gründe vorliegen, um diesen Einwand aufzuwiegen. Oberst von Gilsa, wie schätzt die Abwehr die von dieser Volksgruppe ausgehende Gefahr ein?« – »Die Frage wurde schon bei unserer ersten Konferenz zu diesem Thema in Woroschilowsk aufgeworfen, Herr General. Seither beobachtet die Abwehr die Bergjuden mit großer Aufmerksamkeit. Bis heute haben wir keinerlei Anzeichen für eine subversive Tätigkeit feststellen können. Keine Kontakte zu Partisanen, keine Sabotage, keine Spionage, nichts von alledem. Wenn sich nur alle Volksgruppen so ruhig verhielten, wäre unsere Aufgabe hier viel leichter.« – »Die Sipo ist eben gerade der Ansicht, dass man das Verbrechen nicht abwarten darf, wenn man es verhindern will«, wandte Bierkamp wütend ein. »Gewiss«, räumte von Bittenfeld ein, »doch bei einer präventiven Maßnahme gilt es, Nutzen und Risiken abzuwägen.« – »Kurzum«, fuhr Köstring fort, »sollte von den Bergjuden eine Gefahr ausgehen, steht sie jedenfalls nicht unmittelbar zu befürchten?« – »Nein, keineswegs, Herr General«, bestätigte Gilsa. »Nicht nach Einschätzung der Abwehr.« – »Bleibt noch die rassische Frage«, sagte Köstring. »Wir haben viele Argumente gehört. Doch ich nehme an, wir sind uns alle einig, dass keines wirklich schlüssig war, weder in der einen noch in der anderen Hinsicht.« Er machte eine Pause und rieb sich die Wange. »Mir scheint, es fehlt uns an Fakten. Fest steht, dass Naltschik nicht die ursprüngliche Heimat dieser Bergjuden ist, was sicherlich die Perspektive verzerrt. Ich schlage daher vor, dass wir die Frage bis zur Besetzung von Dagestan zurückstellen. Dort, in der Herkunftsregion der Bergjuden, sind unsere Forscher vielleicht in der Lage, beweiskräftigere Anhaltspunkte ausfindig zu machen. Wenn es so weit ist, werden wir eine neue Kommission bilden.« Er wandte sich an Korsemann. »Was halten Sie davon, Brigadeführer?« Korsemann zögerte, warf einen verstohlenen Blick auf Bierkamp, zögerte abermals und sagte dann: »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht, Herr General. Das scheint mir die Interessen aller Beteiligten, auch der SS, zu berücksichtigen. Nicht wahr, Oberführer?« Bierkamp brauchte einen Augenblick, um zu antworten: »Wenn Sie meinen, Brigadeführer.« – »Also abgemacht«, erklärte Köstring in seiner leutseligen Art, »einstweilen werden wir sie genau überwachen. Ich verlasse mich auch auf die Wachsamkeit Ihres Sonderkommandos, Oberführer. Wenn sie unverschämt werden oder Kontakt zu den Partisanen aufnehmen, wird kurzer Prozess gemacht. Dr. Bräutigam?« Bräutigam näselte stärker denn je: »DasOstministerium hat nichts gegen Ihren absolut vernünftigen Vorschlag einzuwenden, Herr General. Ich denke, wir sollten auch den Fachleuten, von denen einige aus dem Reich angereist sind, für ihre vorzügliche Arbeit danken.« – »Sehr richtig, sehr richtig«, pflichtete Köstring bei. »Dr. Rehrl, Major Weintrop, Hauptsturmführer Aue, meine Anerkennung, die gilt auch Ihren Kollegen.« Alle Anwesenden applaudierten. Unter geräuschvollem Stühlerücken und Papiergeraschel standen die Anwesenden auf. Bräutigam kam um den Tisch herum und schüttelte mir die Hand: »Sehr gute Arbeit, Hauptsturmführer.« Er wandte sich an Rehrl: »Natürlich spricht auch einiges für die chasarische These.« – »Oh«, meinte der Angesprochene, »warten wir, bis wir in Dagestan sind. Ich bin sicher, dass wir dort neue Anhaltspunkte finden, wie der General gesagt hat. Vor allem in Derbent wird

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