Die Wohlgesinnten
in den Mundwinkeln, er murmelte wieder: »Pflügen, die Juden unterpflügen.« Unauffällig ließ ich die Pistole in die Schublade gleiten: Niemand hatte daran gedacht. Blobel schien eingeschlafen zu sein. Callsen kam zum Bett zurück: »Wir bringen ihn nach Lublin.« – »Wieso nach Lublin?« – »Dort gibt es ein Krankenhaus für solche Fälle«, erklärte Sperath. »Eine Klapse oder was?«, fragte Häfner taktlos. »August, halt die Klappe«, wies ihn Callsen zurecht. Radetzky erschien in der Tür: »Was ist das hier für ein Sauhaufen?« Kurt Hans antwortete: »Der Standartenführer ist ausgefallen. Der Feldmarschall hat einen Befehl überbringen lassen, der ging Blobel gegen den Strich, da wollte er auf die Wehrmachtsoffiziere schießen.« – »Er hatte heute früh schon Fieber«, fügte Callsen beflissen hinzu. Rasch erklärte er ihm die Situation und Speraths Vorschlag. »Gut«, beschied Radetzky, »tun wir, was der Doktor sagt. Ich nehme ihn selbst mit.« Er schien etwas blass. »Was den Befehl des Generalfeldmarschalls angeht, haben Sie mit den Vorbereitungen angefangen?« – »Nein, noch nicht«, sagte Kurt Hans. »Gut. Callsen, bereiten Sie alles Nötige vor. Sie, Häfner, begleiten mich.« – »Warum ich?«, sagte Häfner mürrisch. »Darum«, fauchte Radetzky verärgert. »Lassen Sie den Opel vom Chef fertigmachen. Nehmen Sie für alle Fälle noch ein paar Kanister Benzin mit.« Häfner insistierte: »Kann Janssen nicht mitfahren?« – »Nein, Janssen wird Callsen und Hans helfen. Einverstanden, Hauptsturmführer?«, wandte er sich an Callsen. Der nickte zögernd: »Vielleicht wäre es besser, Sie blieben hier und ich würde ihn begleiten, Sturmbannführer. Sie haben jetzt das Kommando.« Radetzky schüttelte den Kopf: »Genau, daher halte ich es für besser, ihn selbst zu begleiten.« Zweifelnd wandte Callsen ein: »Meinen Sie nicht doch, dass Sie besser bleiben sollten?« – »Nein, keine Sorge:Obergruppenführer Jeckeln kommt nachher mit seinem Stab. Die meisten sind schon da, ich war gerade dort. Er wird sich um alles kümmern.« – »Gott sei Dank! Sie müssen nämlich wissen, ich habe noch nie eine Aktion diesen Ausmaßes …« Radetzky kräuselte die Lippen zu einem kleinen Lächeln: »Schon gut. Wenden Sie sich an den Obergruppenführer und treffen Sie alle Vorbereitungen: Da wird schon nichts schiefgehen, das garantiere ich Ihnen.«
Eine Stunde später versammelten sich die Offiziere im großen Saal. Radetzky und Häfner waren mit Blobel abgefahren; als man ihn in den Opel verfrachtete, hatte er wieder um sich getreten, sodass Sperath ihm noch einmal eine Spritze geben musste, während Häfner ihn mit beiden Armen hielt. Callsen ergriff das Wort: »Meine Herren, ich denke, Sie sind über die Lage alle mehr oder weniger informiert.« Vogt unterbrach ihn: »Könnten Sie sie noch einmal kurz zusammenfassen?« – »Wie Sie wollen. Heute früh hat der Generalfeldmarschall für die zehn deutschen Soldaten, die verstümmelt auf der Burg gefunden wurden, eine Vergeltungsaktion befohlen. Er hat angeordnet, dass für jede von den Bolschewisten ermordete Person ein Jude erschossen wird, das macht mehr als tausend Juden. Offenbar hat dieser Befehl den Anfall des Standartenführers ausgelöst.« – »Die Wehrmacht ist nicht ganz schuldlos daran«, schaltete sich Kurt Hans ein. »Man hätte jemanden mit mehr Takt schicken sollen, nicht diesen Hauptmann. Außerdem, einen so wichtigen Befehl von einem Hauptmann überbringen zu lassen grenzt schon an Beleidigung.« – »Trotzdem wirft die ganze Geschichte ein schlechtes Licht auf die SS«, meinte Vogt. »Hören Sie mal«, erwiderte Sperath scharf, »darum geht es hier nicht. Wie bereits gesagt, der Standartenführer war heute früh schon krank, er hatte hohes Fieber. Vermutlich Typhus im Anfangsstadium. Das hat den Anfall sicherlich ausgelöst.« – »Ja, aber er hat auch eine Menge getrunken«, sagte Kehrig.»Stimmt«, mischte ich mich ein, »in seinem Zimmer lag eine leere Flasche.« – »Er hatte Verdauungsprobleme«, erwiderte Sperath, »und dachte, das würde Abhilfe schaffen.« – »Wie dem auch sei«, schloss Vogt, »wir sind jetzt ohne Kommandeur. Und ohne den Stellvertretenden übrigens auch. Das geht nicht. Ich schlage vor, dass Hauptsturmführer Callsen das Sonderkommando führt, bis Sturmbannführer Radetzky wieder zurück ist.« – »Aber ich bin doch gar nicht der ranghöchste Offizier«, wandte Callsen ein. »Das sind Sie oder
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