Die Wohlgesinnten
in Breeches steckenden Beine übereinandergeschlagen, und mich in einem zu niedrigen kleinen Sessel Platz nehmen lassen: Wie ich saß, verdeckte mir sein Knie fast sein Gesicht und den leeren Blick seiner Augen. Ich wusste nicht, wie ich das Thema ansprechen sollte, das mir am Herzen lag. Schließlich improvisierte ich auf gut Glück, dass ich ein Buch über die künftigen internationalen Beziehungen Deutschlands vorbereiten würde, wobei ich die Ideen ausschmückte, die ich beim Durchblättern der Festgabe für Best aufgeklaubt hatte (und je länger ich sprach, desto mehr begeisterte ich mich für die Idee und war am Ende selbst überzeugt, dass ich tatsächlich die Absicht hatte, ein Buch zu schreiben, das Aufsehen erregen und meine Zukunft sichern würde). Knochen hörte höflich zu und nickte ab und an mit dem Kopf. Schließlich erwähnte ich beiläufig, ich dächte daran, einen Posten in Frankreich anzunehmen, um konkrete Erfahrungen zu sammeln, die meine Kenntnisse der russischen Verhältnisse ergänzen könnten. »Hat man Ihnen irgendetwas angeboten?«, fragte er mit einem Anflug von Neugier. »Ich bin nicht auf dem Laufenden.« – »Noch nicht, Standartenführer, das ist noch nicht entschieden. Im Grunde ist es kein Problem, doch es müsste ein Posten frei werden oder geschaffen werden.« – »Bei mir ist im Augenblick leider nichts frei. Sehr schade, die Stelle des Beauftragten für jüdische Angelegenheiten war im Dezember frei, ist aber inzwischen wieder besetzt.« Ich zwang mich zu einem Lächeln: »An so etwas habe ich auch nicht gedacht.« – »Trotzdem, mir scheint, Sie haben auf diesem Gebiet viel Erfahrung gesammelt. Und die Judenfragehat in Frankreich erhebliche Bedeutung für unsere diplomatischen Beziehungen zu Vichy. Allerdings haben Sie einen viel zu hohen Dienstgrad: Das ist bestenfalls eine Stelle für einen Hauptsturmführer. Und bei Abetz? Sind Sie schon bei ihm gewesen? Wenn ich mich richtig entsinne, pflegten Sie persönliche Kontakte zu den Pariser Protofaschisten. Das dürfte den Botschafter interessieren.«
Ich fand mich auf dem breiten Bürgersteig der fast verlassenen Avenue Foch in einem Zustand tiefer Mutlosigkeit wieder. Ich hatte das Gefühl, vor einer Wand zu stehen, die weich, ungreifbar, fließend und doch so unüberwindlich wie eine hohe Mauer aus Naturstein war. Am oberen Ende der Avenue verdeckte der Arc de Triomphe noch die Morgensonne und warf lange Schatten auf das Pflaster. Zu Abetz gehen? Gewiss, ich hätte mich auf unsere kurze Begegnung im Jahr 1933 berufen oder mir von jemandem aus dem Umfeld von Je Suis Partout eine Empfehlung geben lassen können. Aber ich hatte nicht den Mut. Ich dachte an meine Schwester in der Schweiz: Vielleicht würde mir eine Verwendung in der Schweiz guttun? Ich würde sie von Zeit zu Zeit wiedersehen können, wenn sie ihren Mann ins Sanatorium begleitete. Aber es gab praktisch keine SD-Posten in der Schweiz, die Leute rissen sich darum. Sicherlich hätte Dr. Mandelbrod für Frankreich wie für die Schweiz alle Hindernisse aus dem Weg räumen können; aber Dr. Mandelbrod hegte, wie ich begriffen hatte, eigene Pläne in Bezug auf meine Person.
Ich ging ins Hotel zurück, zog mir Zivil an und suchte den Louvre auf. Dort zumindest fühlte ich mich, umgeben von diesen unbeweglichen und heiteren Gestalten, etwas ruhiger. Lange saß ich vor dem Christus in seinem Grabe von Philippe de Champaigne; vor allem aber fesselte mich ein kleines Bild von Watteau, Der Gleichgültige : eine für ein Fest ausstaffierte Figur, die sich tänzelnd vorwärts bewegt, fast imEntrechat, die Arme ausgestreckt, als erwarte sie den ersten Ton einer Ouvertüre, effiminiert, aber mit einem deutlich erkennbaren Steifen unter der pistaziengrünen Seide und einer undefinierbaren, fast verlorenen Traurigkeit im Gesicht, als hätte sie bereits alles vergessen und versuche nicht einmal mehr, sich zu erinnern, warum und für wen sie so posiere. Das schien mir ein höchst scharfsinniger Kommentar zu meiner eigenen Situation zu sein, da passte alles bis auf den Titel, der einen Kontrapunkt setzte: Gleichgültig? Nein, gleichgültig war ich nicht, ich brauchte nur an dem Gemälde einer Frau mit schwerem schwarzem Haar vorbeizugehen, um von meinen Erinnerungen wie von einem Beil getroffen zu werden; und selbst wenn die Gesichter unter den prahlerischen Fetzen der Renaissance oder Régence, unter diesen farb- und juwelenüberladenen Stoffen, die ebenso zäh wie die viskosen
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