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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Kurs, sei Heydrichs Protegé, und Schellenberg möge mich nicht, halte mich für verklemmt. Und Ohlendorf, mein anderer Förderer, war so damit beschäftigt, seine eigene Stellung abzusichern, dass ihm keine Zeit blieb, auch noch an mich zu denken. Vielleicht hätte ich mich an die ehemaligen Vorgesetzten meines Vaters wenden sollen. Doch damals hatten alle reichlich zu tun.
    Schließlich war es Thomas, der die Dinge für mich wieder in Bewegung brachte. Nach Polen war er in Jugoslawien und Griechenland gewesen, von wo er als mehrfach dekorierter Hauptsturmführer zurückkehrte. Er trug nur noch Uniform, die genauso elegant geschneidert war wie früher seine Anzüge. Im Mai 1941 lud er mich zum Abendessen im Horcher ein, einem sehr gefragten Restaurant in der Martin-Luther-Straße. »Das geht auf mich«, verkündete er strahlend. Er ließ Champagner kommen, und wir stießen auf den Sieg an. »Sieg Heil!« – »Auf die vergangenen und die kommenden Siege«, fuhr er fort. Ob ich über Russland Bescheid wisse. »Nur gerüchtweise«, sagte ich. »Nichts Genaues.« Er lächelte: »Wir greifen an. Nächsten Monat.« Er machte eine Pause, um die Neuigkeit wirken zu lassen. »Mein Gott«, war alles, was ich schließlich herausbrachte. »Es gibt keinen Gott. Es gibt nur Adolf Hitler, unseren Führer, und die unbesiegbare Macht des Großdeutschen Reichs. Wir sind dabei, das größte Heer der Menschheitsgeschichte aufmarschieren zu lassen. In ein paar Wochen haben wir sie vernichtet.« Wir tranken. »Hör zu«, sagte er schließlich, »der Chef stellt gerade mehrere Einsatzgruppen zusammen, die der Wehrmacht folgen sollen. Sondereinheiten wie in Polen. Ich habe Gründe anzunehmen, dass er jedem vielversprechenden jungen SS-Offizier,der sich freiwillig zu diesen Einsätzen meldet, freundlich begegnen würde.« – »Ich habe mich schon einmal freiwillig gemeldet. Für Frankreich. Man hat mich abgelehnt.« – »Dieses Mal wird man dich nicht ablehnen.« – »Und du, gehst du auch hin?« Er ließ den Champagner in seinem Glas leicht kreisen. »Sicher. Ich bin zu einem der Gruppenstäbe abkommandiert. Jeder Gruppe sind mehrere Kommandos unterstellt. Ich kann dich sicher in einem der Kommandostäbe unterbringen.« – »Und was für Aufgaben haben diese Gruppen im Einzelnen?« Er lächelte: »Hab ich doch gesagt: Sonderaktionen, Sipo- und SD-Arbeit, die Sicherheit der Truppe in der Etappe, Nachrichtenbeschaffung, solche Dinge. Auch die Wehrmacht im Auge behalten. In Polen war sie ein bisschen schwierig, ein bisschen altmodisch, das soll nicht noch mal passieren. Brauchst du Bedenkzeit?« Wundert es euch, dass ich keine Sekunde gezögert habe? Was Thomas mir vorschlug, musste mir einfach vernünftig, ja verlockend erscheinen. Versetzt euch in meine Lage. Hätte sich irgendjemand, der bei Verstand war, jemals vorstellen können, dass man ausgerechnet Juristen auswählen würde, um Menschen ohne Prozess umzubringen? Für mich war die Sache vollkommen klar, und ich brauchte kaum zu überlegen, bevor ich antwortete: »Nicht nötig. Hier in Berlin komme ich um vor Langeweile. Wenn du mich unterbringen kannst, bin ich mit von der Partie.« Er lächelte erneut: »Ich habe immer gesagt, dass du schwer in Ordnung bist, dass auf dich Verlass ist. Du wirst sehen, es wird lustig.« Ich lachte vergnügt, und wir tranken noch mehr Champagner. So vergrößert der Teufel sein Reich, so und nicht anders.
    Doch das konnte ich in Lemberg noch nicht wissen. Es wurde schon Abend, als Thomas kam und mich aus meinen Gedanken riss. Vom Boulevard her ertönten noch vereinzelte Schüsse, doch insgesamt hatte sich die Situation weitgehend beruhigt. »Kommst du? Oder willst du noch ein wenig bleibenund Maulaffen feilhalten?« – »Was hat es eigentlich mit der Aktion Petljura auf sich?«, fragte ich. »Was du auf der Straße gesehen hast. Wer hat dir denn davon erzählt?« Ich ging nicht auf seine Frage ein. »Habt tatsächlich ihr das Pogrom veranlasst?« – »Sagen wir mal so: Wir haben nicht versucht, es zu verhindern. Wir haben nur ein paar Plakate vorbereitet. Aber ich glaube nicht, dass die Ukrainer uns gebraucht haben, um auf die Idee zu kommen. Hast du nicht die Anschläge der OUN gesehen? Ihr habt Stalin mit Blumen empfangen, wir werden Hitler zur Begrüßung eure Köpfe überreichen. Darauf sind sie ganz von allein gekommen.« – »Verstehe. Gehen wir zu Fuß?« – »Es ist ganz in der Nähe.« Das Restaurant lag in einer kleinen Seitenstraße

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