Die Wohlgesinnten
Bemühungen am Ende sogar begrüßt, wie es der Führer so häufig prophezeit hatte, vielleicht auch nicht, wie auch immer, viele hätten sie begrüßt, die inzwischen verstummt sind, weil wir verloren haben, traurig, aber wahr. Und selbst wenn wegen dieser Sache zehn oder fünfzehn Jahre lang eine gewisse Spannung geherrscht hätte, dann hätte sie sich über kurz oder lang gelegt, wenn unsere Diplomaten beispielsweise die harten, möglicherweise menschenrechtsfeindlichen Maßnahmen angeprangert hätten – allerdings nicht ohne ein gewisses Maß an Verständnis zu zeigen –, die Großbritannien oder Frankreich früher oder später hätten anwenden müssen, um die Ordnung in ihren widerspenstigen Kolonien wiederherzustellen oder um – wenn wir an die Vereinigten Staaten denken – die Stabilität des Welthandels zu sichern oder die Brutstätten kommunistischer Aufstände zu bekämpfen, was sie im Übrigen am Ende ja auch alle getan haben, mit den bekannten Ergebnissen. Denn es wäre ein Fehler, ein schwerwiegender, nach meiner Meinung, zu glauben,das moralische Empfinden der Westmächte unterscheide sich grundsätzlich von dem unseren: Schließlich ist eine Großmacht eine Großmacht, sie wird es nicht zufällig und bleibt es nicht zufällig. Die Monegassen oder die Luxemburger können sich den Luxus einer gewissen politischen Rechtschaffenheit leisten; bei den Engländern sieht es etwas anders aus. War es nicht ein britischer Kolonialbeamter, in Oxford oder Cambridge ausgebildet, der seit 1922 staatlich angeordnete Massaker zur Sicherung der Kolonien befürwortete und bitter beklagte, dass die politische Situation in the Home Islands solche heilsamen Maßnahmen nicht zuließ? Oder wenn, wie es einige möchten, alle unsere Fehler nur dem Antisemitismus angelastet werden – ein grotesker Irrtum nach meiner Meinung, aber für viele verlockend –, müssen wir dann nicht eingestehen, dass sich Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg auf diesem Gebiet weit mehr hervortat als wir (von den russischen Pogromen gar nicht zu reden!)? Ich hoffe im Übrigen, dass ihr nicht allzu überrascht seid, wenn ich die Bedeutung des Antisemitismus als Hauptursache des Massakers an den Juden in dieser Weise herunterspiele: Andernfalls geriete nämlich in Vergessenheit, dass unsere Vernichtungspolitik viel weiter ging. Zum Zeitpunkt der Niederlage hatten wir bereits – ich will die Geschichte nicht umschreiben, das liegt mir wahrlich fern – neben den Juden die Vernichtung aller unheilbar körperlich und geistig Behinderten in Deutschland, des größten Teils der Zigeuner und von Millionen Russen und Polen vollbracht. Und die Pläne waren bekanntlich noch viel ehrgeiziger: Bei den Russen sollte die erforderliche natürliche Verminderung laut den Experten des Vierjahresplans und des RSHA dreißig Millionen betragen, nach der abweichenden Meinung eines etwas übereifrigen Dezernenten im Ostministerium sogar zwischen sechsundvierzig und einundfünfzig Millionen liegen. Hätte der Krieg noch einige Jahre gedauert, hätten wir zweifellosmit einer massiven Reduzierung der polnischen Bevölkerung begonnen. Der Gedanke hatte schon einige Zeit im Raum gestanden: Schaut euch den umfangreichen Briefwechsel zwischen dem Gauleiter des Warthegaus, Greiser, und dem Reichsführer an, in dem Greiser ab Mai 1942 um die Genehmigung bittet, sich der Gasanlagen von Kulmhof zu bedienen zu dürfen, um 35 000 tuberkulöse Polen zu vernichten, die ihm zufolge ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko für seinen Gau darstellten; nach sieben Monaten gab ihm der Reichsführer schließlich zu verstehen, dass sein Vorschlag interessant, aber verfrüht sei. Ihr müsst den Eindruck haben, dass ich euch ziemlich unbeteiligt davon berichte: Das geschieht lediglich, um euch zu zeigen, dass die von uns betriebene Vernichtung des mosaischen Volkes nicht allein aus dem irrationalen Hass auf die Juden erwuchs – ich denke, ich habe zur Genüge gezeigt, wie unbeliebt im Allgemeinen die emotionalen Antisemiten beim SD und der SS waren –, sondern vor allem auf der entschlossenen und durchdachten Entscheidung für die Gewalt als Mittel zur Lösung verschiedenster sozialer Probleme beruhte, worin wir uns im Übrigen von den Bolschewisten nur insofern unterschieden, als wir die Probleme, die es zu lösen galt, höchst unterschiedlich einschätzten: Ihr Ansatz war eine horizontale Lesart der Gesellschaft (die Klassen), die unsere eine vertikale (die Rassen), aber beide waren gleich
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