Die Wohlgesinnten
hatte sich schon mit jüdischen Gemeindesprechern getroffen und zeigte sich äußerst zufrieden. »Sie sind gleich mit ihren Koffern erschienen«, berichtete er, herzlich lachend. »Aber ich habe sie beruhigt und ihnen gesagt, dass niemand verhaftet würde. Sie hatten sich von der Hysterie der extremen Rechten schrecken lassen. Wir haben ihnen versprochen, dass ihnen nichts geschehen würde, wenn sie mit uns zusammenarbeiteten, das hat sie beruhigt.« Er lachte wieder. »Sie denken vermutlich, wir würden sie vor den Ungarn beschützen.« Die Juden sollten einen Rat bilden; um ihnen keine Angst einzujagen – die in Polen verbreitete Bezeichnung Judenrat war auch hier genügend bekannt, um eine gewisse Angst hervorzurufen –, würde er Zentralrat heißen. In den folgenden Tagen, als die Mitglieder des neuen Rats dem Sondereinsatzkommando Matratzen und Bettdecken brachten – ich requirierte mehrere für unsere Suite –, und dann, nachdem wir entsprechende Forderungen gestellt hatten, auch Schreibmaschinen, Spiegel, Kölnischwasser, Damenwäsche und einige kleine, sehr hübsche Bilder von Watteau oder zumindest aus seiner Schule abgaben, hatte ich mit ihnen, vor allem mit Dr. Samuel Stern, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, eine Reihe von Besprechungen, um mir einen Eindruck von den verfügbaren Aktivposten zu machen. Juden beiderlei Geschlechts waren in ungarischen Rüstungsfabriken beschäftigt, und Stern konnte mir ungefähreZahlen liefern. Doch hier zeigte sich sofort ein schwerwiegendes Problem: Alle kräftigen und gesunden jüdischen Männer, die nicht in einem kriegswichtigen Betrieb beschäftigt und im arbeitsfähigen Alter waren, wurden seit einigen Jahren zum Honvéd eingezogen, um in der Etappe in Arbeitsbataillonen zu dienen. Das stimmte, ich erinnerte mich, als wir in das noch von den Ungarn gehaltene Shitomir einrückten, hatte ich von diesen jüdischen Bataillonen gehört; meine Kameraden vom Sk 4a waren außer sich. »Mit diesen Bataillonen haben wir nicht das Geringste zu tun«, erklärte mir Stern. »Klären Sie das mit der Regierung.«
Einige Tage nach der Bildung der Regierung Sztójay verkündete das neue Kabinett nach einer einzigen elfstündigen Sitzung eine Reihe von antijüdischen Gesetzen, die die ungarische Polizei auf der Stelle umzusetzen begann. Eichmann sah ich selten: Er hatte ständig mit Behördenvertretern zu tun oder besuchte die Juden, interessierte sich laut Krumey für ihre Kultur, ließ sich ihre Bibliothek, ihr Museum, ihre Synagogen zeigen. Am Ende des Monats sprach er mit dem Zentralrat selbst. Sein ganzes SEK war ins Hotel Majestic umgezogen, ich war im Astoria geblieben, wo ich zwei Zimmer mehr hatte ergattern können, um darin Büros einzurichten. Zu der Besprechung war ich nicht geladen, aber hinterher kam ich mit Eichmann zusammen: Er wirkte sehr zufrieden mit sich und versicherte mir, dass die Juden zur Zusammenarbeit bereit seien und sich den deutschen Forderungen unterwerfen würden. Wir erörterten das Problem der Arbeitskräfte; die neuen Gesetze würden es den Ungarn ermöglichen, die zivilen Arbeitsbataillone aufzustocken – alle jüdischen Beamten, Journalisten, Notare, Anwälte, Buchhalter, die ihre Stellungen aufgeben müssten, könnten eingezogen werden, was Eichmann feixen ließ: »Stellen Sie sich doch einmal vor, mein lieber Dr. Aue, wie diese jüdischen Advokaten Panzergräben ausheben!« –, aber wir hatten keineAhnung, wie viele die Ungarn uns abtreten würden; Eichmann befürchtete wie ich, dass sie versuchen würden, die besten für sich zu behalten. Doch Eichmann hatte einen Verbündeten gefunden: Dr. László Endre, einen Beamten des Komitats Budapest, einen fanatischen Antisemiten, den er nach Möglichkeit ins Innenministerium berufen lassen wollte. »Wissen Sie, wir dürfen den Fehler von Dänemark nicht wiederholen«, erläuterte er, den Kopf in seine große, dick geäderte Hand gestützt und an seinem kleinen Finger knabbernd. »Die Ungarn müssen alles von sich aus tun, sie müssen uns ihre Juden auf einem silbernen Tablett servieren.« Das SEK begann bereits in Zusammenarbeit mit der ungarischen Polizei und den Kräften des BdS Juden zu verhaften, die gegen die neuen Vorschriften verstießen; ein von der ungarischen Gendarmerie bewachtes Durchgangslager war in Kistarcsa, in der Nähe der Hauptstadt, eingerichtet worden, in dem bereits mehr als dreitausend Juden interniert waren. Ich blieb auch nicht untätig: Durch Vermittlung der
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