Die Wohlgesinnten
einen kleinkarierten Juristen, das Musterexemplar eines grauen Männchens, das man hinter seinem Schreibtisch in einer Bank nie wahrnimmt, wo es geduldig Papiere bekritzelt und auf seine Pensionierung wartet, die ihm endlich die ersehnte Möglichkeit beschert, in einer von seiner Frau gestrickten Wollweste holländische Tulpen zu züchten oder Zinnsoldaten aus napoleonischer Zeit zu bemalen und sie liebevoll und akkurat in Reih und Glied, als Reminiszenz an die verlorengegangene Ordnung seiner Jugend, vor einem Gipsmodell des Brandenburger Tors aufzustellen, oder was weiß ich, wovon solche Leute träumen; und dort, in Budapest, war er ein grotesker Anblick in seinen lächerlich ausgestellten Reithosen, rauchte Luxuszigaretten, empfing, die schmutzigen Stiefel auf einem Samtsessel, die jüdischen Honoratioren und versagte sich schamlos keinen noch so verstiegenen Wunsch. In den allerersten Tagen nach unserer Ankunft hatte er die Juden aufgefordert, ihm ein Klavier zu liefern, wobei er nachlässig hingeworfen hatte: »Ich habe schon immer davon geträumt, ein Klavier zu haben«; die verängstigten Juden brachten ihm acht; und Hunsche, breitbeinig in seinen langschäftigen Stiefeln aufgebaut, putzte sie in einem Ton, der ironisch sein sollte, in meiner Gegenwart herunter: »Aber, aber, meine Herren! Ich wollte doch kein Geschäft eröffnen, ich wollte nur Klavier spielen.« Ein Klavier! Deutschland stöhnte unter den Bomben, unsere Soldaten an der Front kämpften mit erfrorenen Gliedmaßen und verstümmelten Händen, aber Hauptsturmführer Regierungsrat Dr. Hunsche, der seine Dienststelle in Berlin noch nie verlassen hatte, verspürte das dringende Bedürfnis nach einem Klavier, vermutlich, um seine angegriffenenNerven zu beruhigen. Wenn ich ihn so betrachtete, wie er die Befehle für die Männer im Durchgangslager ausstellte – die Evakuierungen hatten begonnen –, fragte ich mich, ob ihm nicht in dem Augenblick, in dem er seine Unterschrift daruntersetzte, unter dem Tisch einer abging. Das war – ich bin der Erste, der das zugibt – ein erbärmlicher Vertreter des Herrenvolks: Und wenn Deutschland nach solchen Leuten, die es leider allzu häufig gab, beurteilt werden soll, dann haben wir, ich kann es nicht leugnen, unser Schicksal, das Urteil der Geschichte, unsere Dike wahrhaft verdient.
Und was gibt es über Obersturmbannführer Eichmann zu berichten? Seit ich ihn kannte, hatte er seine Rolle noch nie so restlos ausgefüllt. Wenn er die Juden empfing, war er von Kopf bis Fuß der Übermensch, er nahm seine Brille ab, sprach mit ihnen in einem schneidenden, schroffen, aber höflichen Ton, er ließ sie Platz nehmen, redete sie mit »Meine Herren« an, titulierte Dr. Stern als »Herr Hofrat« und überschüttete sie dann plötzlich mit kalkulierten Grobheiten, die sie schockieren sollten, um gleich darauf wieder in diese eisige Höflichkeit zu verfallen, die sie zu hypnotisieren schien. Er bewies auch größtes Geschick im Umgang mit den ungarischen Behörden, freundlich und höflich zugleich, wusste er sie zu beeindrucken und hatte auch enge Freundschaften mit einigen von ihnen geknüpft, insbesondere mit László Endre, der ihm in Budapest Zugang zu einem ihm bis dahin ungekannten gesellschaftlichen Leben gewährte, das ihn tief beeindruckte, lud ihn Endre doch auf Schlösser ein und stellte ihn Gräfinnen vor. All das, der Umstand, dass alle – Juden wie Ungarn – sich das gern gefallen ließen, kann erklären, warum auch Eichmann in Maßlosigkeit verfiel (allerdings nie mit der Dummheit eines Hunsche) und am Ende wirklich glaubte, er wäre der Meister . Er hielt sich wirklich für einen Kondottiere, einen von dem Bach-Zelewski und vergaß darüber sein wahres Wesen, das eines befähigten Bürokraten, sogareines in seinem unmittelbaren Tätigkeitsbereich sehr befähigten. Doch wenn man ihn allein in seinem Büro antraf, oder am Abend, wenn er ein wenig getrunken hatte, wurde er wieder der alte Eichmann, der Eichmann, der die Gestapo-Dienstzimmer abklapperte, respektvoll, dienstbeflissen, beeindruckt von jedem Dienstgrad, der höher als der eigene war, und gleichzeitig von Neid und Ehrgeiz zerfressen, der Eichmann, der sich wegen jeder Maßnahme und Entscheidung bei Müller, Heydrich oder Kaltenbrunner schriftlich absicherte und all diese Befehle sorgsam in einem Aktenschrank abheftete, der Eichmann, der genauso glücklich – und nicht weniger effektiv – gewesen wäre, wenn seine Aufgabe darin bestanden
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