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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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allerdings mit weit schlimmeren Folgen als ich; in schweigendem Einverständnis sprachen wir nicht über die näheren Umstände, aber wenn er etwas getrunken hatte, sagte er, ich hätte Glück gehabt, und er hatte Recht, es war ein unwahrscheinliches Glück, dass ichnoch ein unversehrtes Gesicht und einen fast unversehrten Kopf hatte, während er, wenn er zu viel trank, und er trank oft zu viel, rasende Wutanfälle bekam, fast schon epileptische Krämpfe, die Farbe wechselte und zu brüllen anfing, einmal musste ich ihn mit einem Kaffeehauskellner gewaltsam zurückhalten, damit er nicht das ganze Geschirr zerschlug, am nächsten Tag kam er, um sich zu entschuldigen, reumütig, niedergeschlagen, und ich versuchte, ihn zu trösten, ich verstand ihn gut. Dort, in diesem Durchgangslager, kam er zu mir, schaute Wisliceny an, den er ebenfalls kannte, und sagte dann: »Scheußliche Sache, was?« Er hatte Recht, aber es gab Schlimmeres. Um besser zu verstehen, was bei den Selektionen passierte, fuhr ich nach Auschwitz. Über Wien und Krakau reisend, kam ich nachts an; lange bevor wir den Bahnhof erreichten, war auf der linken Seite eine Linie von weißen Lichtpunkten zu sehen, die auf den weiß gekalkten Pfählen der Stacheldrahtumzäunung von Birkenau montierten Scheinwerfer, hinter dieser Linie wieder Finsternis, ein Abgrund, der diesen grässlichen Geruch von verbranntem Fleisch ausströmte, der schwadenweise durch unser Abteil zog. Die Mitreisenden, vor allem Soldaten und Beamte, die zum Dienst zurückkehrten, drückten sich die Nasen an den Fenstern platt, häufig in Begleitung ihrer Frauen, und sparten nicht mit Kommentaren: »Das brennt ja prächtig«, sagte ein Zivilist zu seiner Frau. Auf dem Bahnhof wurde ich von einem Untersturmführer in Empfang genommen, der mir ein Zimmer im Haus der Waffen-SS zuweisen ließ. Am nächsten Morgen sah ich Höß wieder. Anfang Mai, nach Eichmanns Inspektion, hatte das WVHA, wie berichtet, die Organisation von Auschwitz wieder völlig umgestaltet. Liebehenschel, sicherlich der beste Kommandant, den das Lager jemals gehabt hatte, wurde durch eine Null ersetzt, Sturmbannführer Bär, einen gelernten Konditor, der eine Zeitlang Adjutant bei Pohl gewesen war; Hartjenstein in Birkenau hatte seinenPlatz mit Hauptsturmführer Kramer getauscht, dem Kommandanten von Natzweiler; und Höß beaufsichtigte die anderen während der Dauer des ungarischen Einsatzes. Als ich mit ihm sprach, schien mir offenkundig, dass er den Zweck seiner Ernennung ausschließlich in der Vernichtung sah: Obwohl die Juden in Rhythmen von manchmal vier Zügen à dreitausend Einheiten pro Tag eintrafen, hatte er nicht eine einzige neue Baracke für ihre Aufnahme bauen lassen, sondern seine ganze bemerkenswert große Energie darauf gerichtet, die Krematorien überholen und, worauf er besonders stolz war, ein Bahngleis bis ins Zentrum von Birkenau verlegen zu lassen, um die Waggons direkt am Fuße der Gaskammern entladen zu können. Schon vom ersten Transport des Tages an lud er mich zur Besichtigung der Selektion und der übrigen Arbeitsgänge ein. Das neue Gleis führte unter dem Wachturm am Haupttor von Birkenau durch und setzte sich mit drei Verzweigungen bis zu den Krematorien ganz hinten fort. Ein großes Menschengewühl herrschte auf dem ungepflasterten Bahnsteig, lärmend, ärmer und bunter als das, das ich im Durchgangslager gesehen hatte, die Juden hier kamen offenbar aus Siebenbürgen, die Frauen und Mädchen trugen farbenfrohe Kopftücher, die Männer, noch im Mantel, stellten üppige Schnurrbärte zur Schau und waren schlecht rasiert. Es ging weitgehend geordnet zu, lange beobachtete ich die Ärzte, die die Selektion vornahmen (Wirths war nicht dabei), sie billigten jedem Fall zwei oder drei Sekunden zu, entschieden beim geringsten Zweifel negativ und schienen auch viele Frauen zurückzuweisen, die auf mich einen vollkommen gesunden Eindruck machten; als ich Höß darauf ansprach, erklärte er mir, es geschehe auf seine Anweisung, die Baracken seien überfüllt, er habe keinen Platz mehr, die Leute unterzubringen, die Unternehmen verhielten sich abweisend, nähmen diese Juden nicht schnell genug entgegen, daher würden sie sich stauen, Epidemien griffen wieder um sich, und daaus Ungarn täglich neue Transporte einträfen, sei er einfach gezwungen, Platz zu schaffen, er habe bereits mehrere Selektionen unter den Häftlingen durchführen lassen, außerdem habe er versucht, das Zigeunerlager liquidieren zu

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