Die Wohlgesinnten
dasselbe Spiel – keine Frauen für Erdarbeiten gebrauchen konnte. Ich konnte nicht das Geringste machen, niemand hörte auf meine Vorschläge, weder Eichmann noch Winkelmann noch Veesenmayer noch die Ungarn. Da Obergruppenführer Jüttner, der Chef des SSFHA, mit Becher in Budapest eintraf, versuchte ich, bei ihm zu intervenieren; Jüttner war den Kolonnen begegnet, die Häftlinge waren wie Fliegen in Schlamm, Regen und Schnee gefallen; der Anblick hatte ihn empört, und er wollte tatsächlich bei Winkelmann Protest einlegen; Winkelmann aber verwies ihn an Eichmann, auf den er keinerlei Einfluss hatte, und Eichmann weigerte sich rundweg, sich mit Jüttner zu treffen, er schickte ihm einen seiner Leute, der alle Klagen arrogant vom Tisch fegte. Eichmann hatte offensichtlich den Verstand verloren, er hörte auf niemanden mehr, ausgenommen vielleicht Müller und Kaltenbrunner, und Kaltenbrunner schien noch nicht einmal mehr auf den Reichsführer zu hören. Ich sprach mit Becher darüber, der bei Himmler vorstellig werden sollte, und bat ihn, die Sache zur Sprache zu bringen, er versprach, sein Möglichstes zu tun. Szálasi seinerseits bekam es rasch mit der Angst zu tun: Die Russen rückten vor; Mitte November setzte er den Märschen ein Ende, es waren noch nicht einmal dreißigtausend auf den Weg geschickt worden, noch eine unsinnige Verschwendung, eine mehr. Niemand schien mehr zu wissen, was er tat, oder vielmehr tat jeder nur das, was er wollte, allein, auf sich selbst gestellt, es wurde unmöglich, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Ich machte einen letzten Vorstoß bei Speer, der im Oktober die vollständige Kontrolle über den Arbeitseinsatz übernommenhatte, wozu auch die Verwendung der WVHA-Häftlinge gehörte; er erklärte sich endlich bereit, mich zu empfangen, fertigte mich aber ungeduldig ab, da er keinen Sinn in unserer Unterhaltung sah. Und ich hatte ihm tatsächlich wenig Konkretes zu bieten. Die Haltung des Reichsführers verstand ich überhaupt nicht mehr. Ende Oktober befahl er, die Vergasung in Auschwitz einzustellen, und Ende November, er hatte die Judenfrage für gelöst erklärt, ordnete er die Zerstörung der Vernichtungsanlagen an; gleichzeitig wurde im RSHA und im Persönlichen Stab eifrig die Schaffung eines neuen Vernichtungslagers in Alteist-Hartel bei Mauthausen erörtert. Außerdem hieß es, der Reichsführer verhandle in der Schweiz und in Schweden mit den Juden; Becher schien Bescheid zu wissen, wich aber meinen Fragen aus, wenn ich ihn um Aufklärung bat. Ich erfuhr auch, dass er den Reichsführer endlich bewogen hatte, Eichmann einzubestellen (das war später, im Dezember); was dabei besprochen wurde, erfuhr ich allerdings erst siebzehn Jahre später, als dem wackeren Obersturmbannführer in Jerusalem der Prozess gemacht wurde: Becher, der es in Bremen zum millionenschweren Geschäftsmann gebracht hatte, erklärte in seiner Aussage, das Treffen habe im Befehlswagen des Reichsführers bei Triberg im Schwarzwald stattgefunden und der Reichsführer habe mit Eichmann im Guten und Bösen gesprochen . Seither wird in den Büchern gerne ein Satz des Reichsführers zitiert, den er laut Becher an seinen starrsinnigen Untergebenen gerichtet haben soll: » Wenn Sie bisher Juden ausrotteten, so müssen Sie, wenn ich es befehle, wie in diesem Falle, jetzt Judenpfleger sein. Ich erinnere Sie daran, daß nicht der Gruppenführer Müller oder Sie, sondern ich 1939 das Reichssicherheitshauptamt gegründet habe und daß ich befehle. Wenn Sie es nicht können, dann müssen Sie es sagen! « Möglich, dass es so war. Allerdings ist Bechers Zeugenaussage mit größter Vorsicht zu genießen; so schreibt erbeispielsweise die Beendigung der Elendsmärsche von Budapest seinem Einfluss auf Himmler zu – obwohl der Befehl von den erschreckten Ungarn kam –, desgleichen, noch anmaßender, die Initiative zur Unterbrechung der Endlösung: Wenn das überhaupt jemand dem Reichsführer hat eingeben können, dann sicherlich nicht dieser verschlagene Geschäftemacher (Schellenberg vielleicht).
Meine juristische Angelegenheit ging ihren Gang; regelmäßig lud mich SS-Richter von Rabingen vor, um den einen oder anderen Punkt zu klären. Von Zeit zu Zeit traf ich mich mit Mihai; Helene schien immer durchscheinender zu werden, nicht aus Angst, sondern wegen fortwährender Gefühlsanspannung. Als ich ihr bei meiner Rückkehr aus Ungarn von den Gräueltaten in Nyíregyháza berichtete (das III. Panzerkorps hatte bei
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