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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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ein dichter Nebel alles eingehüllt: Vom Schlafzimmer aus konnte ich weder die Birkenallee noch den Wald sehen, nicht einmal den Rand der Terrasse. Ich öffnete das Fenster, ich hörte wieder die Tropfen vom Dach fallen, das Miauen eines Bussards fern im Wald. Barfuß stieg ich ins Erdgeschoss hinunter und ging auf die Terrasse hinaus, der Schnee war kalt unter meinen Füßen, in der frischen Luft bekam ich eine Gänsehaut, ich lehnte mich an die Steinbrüstung. Als ich mich umdrehte, sah ich nicht einmal mehr die Fassade des Hauses, die Verlängerung der Brüstung verschwand im Nebel, ich hatte das Gefühl zu schweben, völlig losgelöst von allem. Ein Umriss im Schnee, vermutlich der, den ich am Vortag gesehen hatte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich beugte mich vor, um ihn besser erkennen zu können, der Nebel verhüllte ihn zur Hälfte, ich musste wieder an eine Leiche denken, aber eher an die der jungen Erhängten in Charkow, im Schnee des Gartens des Gewerkschaftsgebäudes, deren Brust von Hunden angenagt war. Ich fröstelte, meine Haut brannte, sie war durch die Kälte außerordentlich empfindlich, mein nacktes, rasiertes Geschlecht, die frische Luft, der Nebel, der mich einhüllte – all das vermittelte mir ein märchenhaftes Gefühl von Nacktheit, einer absoluten, schonungslosen Nacktheit. Der Umriss war jetzt verschwunden, es musste eine Bodenunebenheit sein, ich vergaß ihn, lehnte mich an die Brüstung und ließ meine Fingerüber meine Haut wandern. Als meine Hand sich anschickte, meinen Schwanz zu massieren, bemerkte ich es kaum, so wenig veränderte das die Empfindungen, die mir langsam das Fleisch abschälten, die Muskeln abzogen, dann die Knochen selbst entfernten, um nur noch etwas Namenloses zurückzulassen, das sich, gespiegelt, selbst Lust verschaffte wie einem identischen, aber leicht verschobenen Ding, das keinen Gegensatz bildete, sondern sich mit seinen Gegensätzen vermischte. Der Orgasmus schleuderte mich zurück wie eine Sprengladung und warf mich auf die schneebedeckten Platten der Terrasse, wo ich benommen liegen blieb, an allen Gliedern zitternd. Ich glaubte, eine Gestalt im Nebel vor mir herumschleichen zu sehen, eine weibliche Gestalt, ich vernahm Geheul, es schien von fern zu kommen, musste aber meines sein, und gleichzeitig wusste ich, dass sich alles stumm abspielte und kein Laut aus meinem Mund diesen tiefgrauen Morgen störte. Die Form löste sich aus dem Nebel und legte sich auf mich. Die Kälte des Schnees drang mir bis in die Knochen. »Wir sind es«, flüsterte ich in das Labyrinth ihres kleinen runden Ohrs. »Wir sind es.« Doch die Gestalt blieb stumm, und ich wusste, dass es noch immer ich war, nur ich. Ich stand auf und ging ins Haus zurück, ich schlotterte, schwer atmend rollte ich mich auf den Teppichen umher, um trocken zu werden. Dann ging ich in den Keller hinab, zog auf gut Glück einige Flaschen heraus, blies darauf, um die Etiketten lesen zu können, und musste in den aufgewirbelten Staubwolken niesen. Der kalte, feuchte Geruch dieses Kellers stieg mir in die Nase, meine Fußsohlen kosteten die kalte, feuchte, fast glitschige Empfindung des Bodens aus gestampfter Erde aus. Ich blieb bei einer Flasche stehen, öffnete sie mit einem Korkenzieher, der dort an einem Band hing, setzte den Flaschenhals an, der Wein lief mir über Lippen, Kinn und Brust, und ich bekam wieder eine Erektion, die Gestalt stand jetzt hinter den Regalen und schwankte leicht, ich bot ihrWein an, aber sie rührte sich nicht, da legte ich mich auf die nackte Erde, und sie hockte sich auf mich, ich trank weiter aus der Flasche, während sie sich meiner bediente, ich spuckte sie mit einer Ladung Wein an, aber sie achtete nicht darauf, sondern setzte ihr stoßweises Hin und Her fort. Von Mal zu Mal war jetzt mein Orgasmus bitterer, rauer, quälender, die winzigen Stoppeln, die wieder sprossen, reizten meine Haut und meinen Schwanz, und wenn er gleich danach erschlaffte, traten die großen grünen Adern und das Netz der violetten Äderchen unter der roten geschundenen Haut hervor. Und trotzdem gab ich keine Ruhe, schwerfällig trabte ich durch das große Haus, durch die Schlafzimmer, die Badezimmer, mich auf jede denkbare Weise erregend, aber ohne zu kommen, denn ich konnte nicht mehr. Ich spielte Versteck, obwohl ich wusste, dass niemand da war, der mich suchen würde, ich wusste kaum noch, was ich tat, ich folgte den Impulsen meines betäubten Körpers, mein Verstand blieb klar und

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