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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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doch schon lange geschlossen!« – »Von korrupten, ehrlosen Richtern«, warf Clemens ein. »Bis jetzt hast du dich mit deinen Machenschaften aus der Affäre ziehen können«, sagte Weser. »Aber damit ist jetzt Schluss.« – »Finden Sie nicht, dass Sie die Entscheidung dem Reichsführer oder Obergruppenführer Breithaupt überlassen sollten?« Der war Chef des Hauptamts SS-Gericht. »Breithaupt ist vor einigen Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, sagte Clemens schleppend. »Und der Reichsführer ist weit weg.« – »Nein, nein«, fügte Weser hinzu, »jetzt ist es wirklich nur noch eine Sache zwischen dir und uns.« – »Aber was wollen Sie denn?« – »Wir wollen Gerechtigkeit«, sagte Clemens kalt. Sie waren jetzt so nah, dass sie mich einkeilten, die Taschenlampen auf mein Gesicht gerichtet; ich hatte bereits bemerkt, dass sie beide eine Automatik in der Hand hielten. »Hören Sie«, stammelte ich, »das Ganze ist ein schrecklicher Irrtum. Ich bin unschuldig.« – »Unschuldig?«, fuhr Weser barsch dazwischen. »Das werden wir ja sehen!« – »Wir erzählen dir jetzt, wie es gewesen ist«, begann Clemens. Das helle Licht der Taschenlampen blendete mich, seine grobe Stimme schien aus diesem grellen Licht zu kommen. »Du hast den Nachtzug von Paris nach Marseille genommen. In Marseille hast du dir am 26. April einen Passierschein für die italienische Zone aushändigen lassen. Am nächsten Tag bist du nach Antibes gefahren. Dort bist du zum Haus gegangen und wie ein Sohn aufgenommen worden, wie der leibliche Sohn, der du ja bist. Am Abendhast du mit deiner Familie gegessen und oben in einem der Zimmer geschlafen, neben dem der Zwillinge, gegenüber dem Schlafzimmer von Herrn Moreau und deiner Mutter. Dann kam der 28.« – »Schau an«, unterbrach Weser. »Heute haben wir den 28. April. Was für ein Zufall.« – »Meine Herren«, sagte ich, etwas übertreibend, »Sie fantasieren.« – »Schnauze!«, belferte Clemens. »Ich fahre fort. Was du tagsüber gemacht hast, wissen wir nicht genau. Allerdings ist bekannt, dass du Holz gehackt hast, dass du die Axt in der Küche gelassen hast, statt sie wieder in den Schuppen zu bringen. Dann bist du in der Stadt spazieren gegangen und hast dir eine Karte für die Rückfahrt gekauft. Du warst in Zivil, man hat dich nicht bemerkt. Dann bist du zurückgegangen.« Weser übernahm das Wort: »Dann folgen Vorgänge, bei denen wir uns nicht sicher sind. Vielleicht hast du mit Herrn Moreau diskutiert, mit deiner Mutter. Vielleicht hat es eine Auseinandersetzung gegeben. Wir wissen es nicht genau. Auch bei den Uhrzeiten sind wir uns nicht sicher. Aber wir wissen, dass du allein mit Herrn Moreau warst. Dann hast du die Axt aufgenommen, wo du sie abgelegt hattest, bist in den Salon zurück und hast ihn getötet.« – »Wir wollen dir sogar glauben, dass du es noch nicht vorgehabt hast, als du die Axt in der Küche gelassen hast«, fuhr Clemens wieder fort, »dass es ein Zufall war, dass du gar nichts geplant hast, dass es einfach so passiert ist. Aber da der Anfang nun einmal gemacht war, hast du ganze Arbeit geleistet.« Und wieder Weser: »Das kann man wohl sagen. Er muss ziemlich überrascht gewesen sein, als du ihm die Axt quer in die Brust gehauen hast. Es hat ein Geräusch wie von zersplitterndem Holz gegeben, und er ist gurgelnd zu Boden gesunken, den Mund voller Blut, die Axt noch immer im Brustkorb. Du hast ihm einen Fuß auf die Schulter gesetzt, um einen Halt zu haben, und ihm die Axt herausgerissen, und dann hast du noch einmal zugeschlagen, aber den Winkelschlecht bedacht, die Axt ist abgeprallt und hat ihm nur einige Rippen gebrochen. Daraufhin bist du zurückgetreten, hast sorgfältiger Maß genommen und ihm die Axt in die Kehle geschlagen. Sie ist ihm durch den Kehlkopf gefahren, und du hast das Knacken gehört, mit dem sie ihm die Halswirbel zertrümmert hat. Ein letztes großes Aufbäumen hat ihn durchzuckt, und er hat einen dicken Strahl schwarzes Blut hervorgebrochen, überall über dich, das Blut ist auch aus seinem Hals herausgespritzt und hat dich von oben bis unten eingesaut, und dann hat sich sein Blick vor deinen Augen verschleiert, und aus seinem halb abgetrennten Hals hat er sich von seinem Blut entleert, und du hast seine Augen verlöschen sehen wie bei einem Hammel, dem man im Gras die Kehle durchschneidet.« – »Sie sind vollkommen verrückt, meine Herren«, sagte ich mit Nachdruck. Clemens ergriff wieder das Wort: »Wir wissen

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