Die Wohlgesinnten
wusste. Diese höchst diplomatische Heirat war Fegelein leider keine große Hilfe: Trotz seiner Gönner, seines Charmes, seines Redetalents wurde er am nächsten Abend im Garten der Reichskanzlei erschossen (auch das erfuhr ich erst viel später). »Und Sie, Obersturmbannführer?«, fragte Fegelein. Da erzählte ich ihm von meinem Missgeschick. »Ah!«, rief er aus. »Das ist böse. Deshalb haben alle so schlechte Laune. Ich dachte, Müller wollte mir den Kopf abreißen, das brutale Schwein.« – »Ach, hat er Sie auch geschlagen?«– »Ja. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass das Mädel, mit dem ich zusammen war, eine englische Spionin wäre. Ich weiß nicht, was er plötzlich hat.« – »Stimmt«, sagte ich und erinnerte mich an Thomas’ Worte: »Gruppenführer Müller sucht einen Spion, einen Maulwurf.« – »Möglich«, murmelte er. »Aber ich habe nichts mit alldem zu tun.« – »Entschuldigen Sie«, unterbrach ich ihn, »wissen Sie, wie spät es ist?« – »Nicht genau. Vielleicht Mitternacht oder ein Uhr?« – »Dann sollten wir am besten schlafen«, schlug ich scherzend vor. »Mein Bett wäre mir lieber«, knurrte Fegelein. »Das kann ich gut verstehen.« Ich rutschte auf dem Boden bis zur Wand und döste ein; zwar lag ich mit den Hüften noch immer im Wasser, aber besser als mit dem Kopf. Der Schlaf war wohltuend, und ich hatte angenehme Träume; ich ließ mich nur ungern aus ihm wecken, aber mir wurden Fußtritte in die Seite versetzt. »Aufstehen!«, schrie eine Stimme. Mühsam erhob ich mich. Fegelein saß an der Tür, die Arme um die Knie geschlungen; als ich hinausging, lächelte er mir zaghaft zu und grüßte mit einer kleinen Handbewegung. Ich wurde in die Kirche geführt: Zwei Männer in Zivil erwarteten mich, Polizisten, einer von ihnen hielt einen Revolver in der Hand; außerdem waren noch SS-Männer in Uniform dabei. Der Polizist mit dem Revolver packte mich am Arm, zerrte mich auf die Straße und schob mich in einen Opel; auch die anderen stiegen ein. »Wohin fahren wir?«, fragte ich den Polizisten, der mir den Lauf seines Revolvers in die Seite bohrte. »Schnauze!«, bellte er. Der Wagen setzte sich in Bewegung, bog in die Mauerstraße ein und fuhr ungefähr hundert Meter; ich hörte ein durchdringendes Pfeifen; eine gewaltige Explosion hob das Fahrzeug hoch und schleuderte es auf die Seite. Ich glaube, der Polizist unter mir schoss: Ich erinnere mich, den Eindruck gehabt zu haben, dass sein Schuss einen der Männer vorn tötete. Der andere Polizist war blutüberströmt und leblos auf mich gefallen.Mit heftigen Fuß- und Ellenbogenstößen befreite ich mich und kroch durch die Heckscheibe aus dem umgestürzten Auto, wobei ich mich etwas schnitt. Weitere Granaten schlugen ganz in der Nähe ein und warfen hohe Fontänen aus Ziegelsteinen und Erde auf. Ich war benommen, die Ohren dröhnten mir. Ich sank auf dem Gehsteig zusammen und blieb einen Augenblick angeschlagen liegen. Der Polizist hinter mir stürzte ebenfalls und rollte schwer auf meine Beine. Meine Hand ertastete einen Ziegelstein, und ich schlug ihm damit auf den Kopf. Wir rollten gemeinsam in den Trümmern umher, mit rotem Staub und Schlamm bedeckt; ich schlug mit aller Kraft, aber es ist nicht leicht, einen Mann mit einem Ziegelstein zu erschlagen, einem verbrannten Ziegelstein zumal. Beim dritten oder vierten Schlag zerfiel er in meiner Hand zu Staub. Ich suchte nach einem weiteren oder einem anderen Stein, aber der Mann warf mich um und fing an, mich zu würgen. Auf mir liegend, rollte er wie wahnsinnig mit den Augen, das Blut, das ihm aus der Stirn lief, zog schlammige Furchen in den roten Staub, mit dem sein Gesicht bedeckt war. Endlich fand meine Hand einen Pflasterstein, und ich traf ihn mit einem großen Schwung oben am Kopf. Er sackte auf mir zusammen. Ich kam unter ihm raus und schlug ihm mit dem Stein auf den Kopf, bis die Hirnschale platzte und die Hirnmasse, vermischt mit Staub und Haaren, herausquoll. Immer noch benommen, richtete ich mich auf. Ich blickte nach seinem Revolver, aber der musste im Wagen geblieben sein, ein Rad drehte sich immer noch in der Luft. Die drei anderen Leute im Wageninnern schienen tot zu sein. Im Augenblick schlugen keine Granaten mehr ein. Mühsam setzte ich mich in Richtung Mauerstraße in Bewegung.
Ich musste mich verstecken. Um mich herum waren nur Ministerien oder andere öffentliche Gebäude, fast alle in Trümmern. Ich bog in die Leipziger Straße ein und betrat
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