Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Titel: Die Wohltäter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nordberg , Nuri Kino
Vom Netzwerk:
»Sprich erst ein bisschen auf Arabisch«, flüsterte er und hielt das Mikrofon zur Seite, da er zunächst einige stimmungsvolle Geräuschimpressionen aus dem Vorort einfangen wollte.
    »T’n ihkilo shi liridu hal l’hmar ibn hmar« , zischte ihm eine Mädchenstimme auf Arabisch zu. Ninos musste kichern. Gerade hatte jemand mit dem Satz »Wir geben diesem Sohn eines Esels, wonach er verlangt« zu einer Livereportage beigetragen.
    »Ulu tanshaleh kul wahed l’nshuf« – »sagt ihm, dass wir alle überfallen, die uns über den Weg laufen« – ergänzte ein anderes Mädchen.
    Der Reporter begann sein Interview.
    »Hier stehe ich also mit jugendlichen Migranten auf diesem Platz. Habt ihr von den Überfällen gehört?«
    »Natürlich haben wir das«, antwortete der größte Junge unter ihnen, der besonders prahlerisch auftrat.
    »Inwiefern seid ihr selbst davon betroffen«, hakte der Reporter nach.
    »Qulu n’nkhne k’na, hada huwe l’rid ismao« – sag ihm, dass wir diejenigen sind, die andere überfallen, genau das will er doch hören« – sagte eine Mädchenstimme.
    »Wir sind diejenigen, die andere überfallen«, sagte der Junge gehorsam zu dem Reporter. Die anderen lachten.
    »Findet ihr Überfälle etwa komisch?«, lautete die dritte, entrüstete Frage des Reporters.
    »Alle, die ihre teuren Sachen zur Schau tragen, sind selbst schuld. Wir können uns solche Sachen nicht leisten. Unsere Eltern sind arbeitslos.«
    »Hay kthir kweyse! Das hast du gut gesagt. Die anderen denken nämlich tatsächlich, dass wir so sind«, ergänzte eine ältere Stimme im hinteren Teil der Versammlung. Ninos stand neben ihnen, konnte jedoch alles hören, was gesagt wurde.
    Der Reporter wurde immer aufgeregter. Er formulierte seine Fragen in kindlicher Sprache, um sicherzugehen, dass seine Interviewobjekte ihn verstanden.
    »Und du findest wirklich, dass man andere Menschen hauen darf, um ihnen ihre Sachen wegzunehmen?«
    Die Jugendlichen ignorierten ihn, lachten stattdessen weiter und unterhielten sich im Hintergrund in verschiedenen Sprachen. »Der Esel macht alles, was wir wollen«, »Schweden sind bescheuert«, und »Journalisten sind die Dümmsten« waren einige der Sätze, die Ninos zu Ohren kamen.
    »Gibt es hier niemanden, der meine Frage beantworten will?«, fragte Reporter Frederik beharrlich.
    »Doch, ich.« Das Mädchen, das den Reporter einen Esel genannt hatte, trat einen Schritt vor. Sie hatte einen starken Akzent und das Kaugummi, das sie in ihrem Mund wiederkäute, verstärkte dies. »Wenn wir aufhören würden, reiche Kinder zu überfallen, müssten wir uns stattdessen selbst verkaufen. Deshalb machen wir Überfälle. Kapiert ?«
    »Du meinst, du wärst gezwungen, dich zu prostituieren?« Nun klang die Stimme des Fragestellers eine Nuance unsicher.
    »Die ganze Zeit«, antwortete sie, begleitet von Lachsalven aus dem Hintergrund.
    Der Reporter beugte sich zu ihr. »Bist du der Meinung, dass die schwedische Gesellschaft dafür verantwortlich ist, dass es euch so geht? Dass die Integration misslungen ist?«
    »Natürlich.«
    Die Zeit war nun fast abgelaufen, doch dem Reporter gelang es, eine abschließende Frage zu stellen. In empörtem Tonfall hob er an: »Gibt es etwas, was die Gesellschaft für euch tun könnte, damit es euch besser geht?«
    Die Jugendlichen warfen sich Blicke zu und versuchten, ernst auszusehen. Offensichtlich hatten sie sich bereits auf eine Antwort geeinigt. Der große Junge und das junge Mädchen beugten sich zum Mikrofon: »Wir haben keine Räume.« Plötzlich hatten sie keinen Akzent mehr, sondern sprachen reinstes Schwedisch.
    Dann krümmten sie sich einige Sekunden lang, von Lachanfällen geschüttelt, und rannten dann vom Reporter weg. Er blieb unberührt und beendete seinen Beitrag mit einem kurzen Schlusssatz: »Frederik Karlsson vom Rinkeby Torg, soeben hörten wir einige jugendliche Migranten über das sprechen, was die Polizei als lawinenartigen Anstieg der Jugendkriminalität in den Vororten beschreibt.«
     
    Planlos lief Ninos dem Mädchen hinterher, das am meisten geredet hatte. Sie war um eine Ecke gerannt und saß nun vornübergebeugt auf einer Parkbank neben dem großen Jungen.
    »Gut gemacht«, sagte Ninos anerkennend, als er vor den beiden stand.
    Sie sahen ihn erschrocken an. »Wir wollten nur einen Scherz machen.«
    »Kein Problem; er hat es ja nicht anders verdient«, sagte Ninos. »Ich wollte mal hören, ob ihr Leute kennt, die hier in diesem Gebiet kher machen.

Weitere Kostenlose Bücher