Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Haar. Er saß mit dem Gesicht über ein rotes Plastiktablett gebeugt, auf dem ein bleiches Schweineschnitzel lag. Es war der schüchterne Praktikant vom Vortag. Ninos verließ seinen Platz in der Schlange und setze sich ihm gegenüber.
»Hi. Du bist der Praktikant, oder? Gabriel?«
Er nickte und beeilte sich, zu Ende zu kauen. »Bei der Abendzeitung . Und du?«
»Ich bin bei der Morgenzeitung . Als Freelancer.«
»Das ist ein bisschen feiner«, sagte Gabriel lachend.
»Die Zeitung oder die Arbeit als Freelancer?«
»Die Zeitung. Die Morgenzeitung ist feiner als die Abendzeitung . Aber es gab dort nur einen Praktikumsplatz, und den hat einer aus Stockholm bekommen.«
»Und wo kommst du her?«
»Aus Göteborg. Beziehungsweise Borås. Aber meine Journalistenschule liegt in Göteborg.«
»Gefällt dir das Praktikum?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Schon. Aber sie sagen immer, ich soll mich abhärten, und ich versuche es ja auch. Aber es ist gar nicht so einfach, mit einem Mal über Mord und solche Sachen zu schreiben.«
Ninos versuchte, nicht zu interessiert zu klingen, als er zur Sache kam. »Warum wollen die beiden Typen von gestern eigentlich Acar interviewen?«
»Wer ist Acar?«
»Der Anführer der OG.«
»Ach, du meinst den Bandenkrieg. Alle Journalisten in Schweden träumen davon, ihn zu interviewen. Er entzieht sich der Polizei, und man sagt, dass er eine Armee von Mitgliedern hat, die für ihn in den Kampf ziehen würden. Laut Polizei gehört er zu den gefährlichsten Männern Schwedens.«
»Ja, aber warum will man ihn interviewen?«
Gabriel sah ihn etwas verständnislos an. »Das wäre der größte Coup! Etwas, das sonst niemand hat. Aber wahrscheinlich gibt es in Wirklichkeit gar nicht so viele, die tatsächlich Lust haben, das durchzuziehen. Weil es ein bisschen unheimlich ist. Also ist das meiste nur Gerede. Außerdem findet ihn ja niemand.«
Ninos nickte, glücklich darüber, seine Neugier befriedigt zu haben. »Ich verstehe. Vielen Dank. Bis bald mal.«
Der Journalismus war eine interessante Angelegenheit. Ninos hätte fast lieber etwas über den rothaarigen Gabriel in der Zeitung gelesen als über Denho Acar, aber Letzterer strahlte für die schwedischen Zeitungen offenbar irgendeine Form von exotischem Glanz aus.
Ninos ging zur Kasse der Kantine und ignorierte die Schlange davor. Die Kassiererin war eine Latina, dessen war er sich fast sicher, also sprach er sie auf Spanisch an. »Oye, dónde está el hermano con tatuajes?«
Sie fuhr zusammen und sah ihn an. »Dennis meinst du wohl? Der steht draußen an der Laderampe und raucht.«
Ninos bedankte sich, schob sich an ihr vorbei und ging schnurstracks in die Küche. Er setzte seinen Weg durch den Spülraum fort und gelangte über den Personaleingang zur Laderampe. Er stellte sich neben Dennis und lehnte sich an die Wand. Es herrschte eine Eiseskälte, aber Ninos hatte gelernt, nicht zu bibbern, obwohl alle Haare auf seinen Armen eine Gänsehaut bildeten.
»Shlomo, kitlokh nuro?«
»Ich bin kein Assyrer, ich bin Grieche«, entgegnete der Tellerwäscher und gab Ninos Feuer. Ninos bedankte sich, und sie rauchten beide eine Zeit lang schweigend.
»Sind bei den OG viele Griechen?«, fragte Ninos ihn dann. »Wie bitte?«
»Na ja, ich finde es einfach heftig, dass sich alle Mitglieder der OG die assyrische Flagge auf ihren Arm tätowieren lassen. Unabhängig von ihrer Nationalität, meine ich.«
Dennis sah weiterhin stur geradeaus. »Das war einmal die assyrische Flagge. Jetzt ist es unsere Flagge.«
»Ja, aber Denho ist doch Assyrer, und er hat entschieden, dass es die assyrische Flagge sein soll«, fuhr Ninos unbekümmert fort. »Bist du auch aus Göteborg? Dein Dialekt klingt nicht danach.«
»Aus Jakobsberg«, antwortete der Mann kurz.
»Du arbeitest bestimmt noch nicht lang hier. Das sind keine Tellerwäscherhände. «
Dennis streckte seine Hände vor sich aus und sah sie an. »Nee? Und du bist ein Tellerwäscherexperte, oder was?« Nun drehte er sich zu Ninos und sah ihn misstrauisch an.
»Das kann man wohl so sagen.« Ninos lachte. »Ich war jahrelang Gastwirt.«
Dennis wurde weicher. »Es stimmt. Ich versuche gerade, das mit meiner Braut in Ordnung zu bringen. Muss was arbeiten. Ich habe einen dreijährigen Sohn.« Er steckte die Hand in die Tasche seiner Jeans, die er unter der Schürze trug, und zog ein labbriges Foto hervor.
Ninos betrachtete es und nickte freundlich. »Aloho trelohjo. Möge Gott ihn beschützen. Ein
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