Die Wohltäter: Roman (German Edition)
einleiten würde. Flintberg hatte mit den Schultern gezuckt, Karin jedoch das Versprechen abgerungen, mit der Gewerkschaft in Kontakt zu bleiben.
Sie lehnte sich im Fond des dunkelblauen Volvos zurück, der auf dem Weg zum Außenministerium am Gustav Adolfs Torg den Strandväg entlangglitt. Wie immer hatte der Taxifahrer ihren Sender eingestellt.
Karin arbeitete gerade an einer ausgezeichneten kleinen Story, die sie am Morgen mit dem Asienkorrespondenten des Radios zusammengestrickt hatte, einem legendären Reporter, der keinen festen Wohnsitz hatte, sondern ständig mit dem Flugzeug durch die Gegend jettete und immer eine Reißverschlusstasche voller SIM-Karten für die unterschiedlichen Länder bei sich trug. Wenn irgendwo in Südostasien eine Handgranate explodierte, war Georg in der Regel binnen weniger Stunden vor Ort. Zu seinen Spezialitäten gehörte es, an Orte vorzudringen, die von Luft- und Landwegen abgeschnitten waren, und sämtliche Techniker des Senders rissen sich darum, ihn mit den neuesten drahtlosen Mikrofonen und Satellitensendern auszustatten, wenn er zwischendurch in Gärdet auftauchte. Mit seinem dezenten Stil und seinem völligen Desinteresse an prahlerischen Kriegsgeschichten stellte er ein Gegenbild zum traditionellen, beinharten Korrespondententypus dar.
Er hatte einen Tipp erhalten, dass es auf die schwedische Botschaft in Islamabad einen Ansturm afghanischer Flüchtlinge gab, die Schutz vor der Talibanregierung suchten. Die Botschaft versprach, Visaanträge innerhalb von zwei Monaten zu bearbeiten, doch einem Informanten zufolge wurden die Anträge lediglich nach Stockholm geschickt, wo man sie sammelte, ohne weitere Maßnahmen zu treffen. Niemand war begeistert von einem afghanischen Flüchtlingsstrom in Richtung Schweden, was aber nicht laut gesagt wurde.
Unabhängig davon, wie der genaue Sachverhalt war, beging jemand mit dieser Verzögerung eventuell einen Dienstfehler, was potenziell eine gute Geschichte ausmachte, fand Karin. Natürlich würde der humanitäre Aspekt hierbei besonders betont, und es wäre fast schon zu einfach, die Linken anzurufen und um einen empörten Kommentar zu bitten, nachdem sie den Chef der diplomatischen Abteilung des Außenministeriums zur Rede gestellt hatte. In Kombination mit einigen klagenden Stimmen auf Urdu, oder war es Paschtu – sie war sich unsicher – , würde eine perfekte, kleine Sendung daraus werden.
Sie war etwas zu früh für das Interview und machte einen Abstecher ins Archiv auf der Drottninggata. Es war immer nützlich, das Verhältnis zum Archivar des Außenministeriums ein wenig zu pflegen, der Herrscher über einen ganzen Keller voller geheimer Akten war.
»Hej, Lars-Erik«, grüßte Karin fröhlich, als sie hereingelassen wurde. »Hier sitzt du also wie immer und bist mit deinem Tipp-Ex beschäftigt.«
Es wurde eine Menge Tipp-Ex verbraucht, bevor man gewisse Akten freigab, denn die Allgemeinheit wurde nicht mit allen Informationen betraut. Es hätte zu Spannungen in den Beziehungen zu fremden Machthabern kommen können, wenn der Kuhhandel, den Schweden mit diesen Ländern betrieb, an die Öffentlichkeit gelangte, was in Karins Augen auf der Hand lag.
»Sieh einer an – hoher Besuch vom Radio«, begrüßte der Archivar sie und sah von seinem Tisch auf. »Was kann ich heute für dich tun?«
»Ich bin an einer Sache über die Botschaft in Islamabad dran. Afghanische Flüchtlinge. Ich dachte, ich erkundige mich mal, ob in den letzten Wochen was bei dir gelandet ist, was ich mir direkt ansehen kann.«
Lars-Erik schüttelte den Kopf. »Nichts, an das ich einfach so her ankommen würde. Und du weißt ja, wie es ist, man kann nicht einfach hereinschneien und in den Sachen wühlen. Du musst eine Anfrage schicken.«
Karin zuckte mit den Schultern. Typisch Außenministerium. Aber einen Versuch war es wert gewesen. »Okay. Dann schreibe ich sie direkt hier.«
Sie kritzelte schnell etwas auf ihren großen Block, riss die Seite aus und reichte sie dem Beamten. Dann fiel ihr etwas ein, das sie lange nicht getan hatte. »Entschuldige, ich habe noch eine andere Sache.« Schnell beschrieb sie ein weiteres Blatt, auf dem sie um die Einsicht sämtlicher Dokumente bat, die in den letzten Monaten von den größten Tageszeitungen und Fernsehsendern eingegangen waren, inklusive Kopien von allen Dokumenten, die an sie ausgegeben wurden. Manchmal kam etwas dabei heraus. Und es war immer interessant, zu sehen, woran andere gerade
Weitere Kostenlose Bücher