Die Wohltaeter
Flintberg auf. Im Prinzip hatte sie Flintberg seine eigene Idee vorgeführt, hoffte jedoch, er wäre anständig genug, sie nicht darauf hinzuweisen. »Und dann finden wir eine Person, die fürchterlich schlecht behandelt wurde und sich fast totgeschuftet hat. Funktioniert das?«
»Absolut«, antwortete Flintberg. »Und rufen Sie auch bei HHH an. Sie sind bisher nicht interviewt worden, vielleicht haben sie Ihnen etwas mitzuteilen.«
Karin ging wieder in ihr Büro zurück. Dank der Bexelius-Affäre war ihr ein Aufschub gewährt worden. Inzwischen hatte die offizielle Bürozeit begonnen. Karin begann gleich damit, die Gewerkschaftsvertreterin anzurufen, mit der sie einige Wochen zuvor telefoniert hatte. Nach einigem Betteln bekam sie die Nummer der früheren Mitarbeiterin von HHH, die Josefin hieß. Offenbar war sie ziemlich aufgebracht, sowohl in Bezug auf ihre eigenen Erlebnisse als auch auf das Schicksal einer Freundin.
Karin zögerte einige Sekunden, bevor sie den Hörer wieder aufnahm. Sie hatte bereits im Gespür, dass Josefin genau zu der Sorte Mädchen gehörte, die sie am wenigsten ausstehen konnte. Der Weltverbesserersorte. Aber dann riss sie sich zusammen und wählte die Nummer. Ab jetzt war sie Reporterin. Heute in der Rolle der verständnisvollen Freundin.
32
MIRIAM Harare 2000
Jens Karsten Møller lag auf dem kantigen Sofa, das immer noch den Originalbezug aus den dreißiger Jahren trug. Miriam beugte sich über ihn und tropfte behutsam etwas Kochsalzlösung in seine Augen.
Wendel war von seinem gegenüberliegenden Stuhl aufgestanden und stellte sich neben sie, in der Hoffnung, Blickkontakt mit Møller aufnehmen zu können.
»Was sollen wir unternehmen? Ich dachte, alles würde sich beruhigen. Ausgerechnet ein Schwede«, sagte er hitzig.
Møller gefiel es nicht, Wendel aus der umgekehrten Vogelperspektive zu sehen. Es irritierte ihn und brachte seine trockenen Augen noch mehr zum Zwinkern. Miriam tupfte ihm mit einer Serviette die Tränen ab und konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, als Møllers Kopf zu Wendel emporschoss.
»Setz dich gefälligst hin«, brüllte er.
Wendel ließ sich unterwürfig auf einem der Pfauenstühle mit der hohen Rückenlehne nieder, die einen Halbkreis um den ovalen Tisch bildeten.
Møller richtete sich auf dem Sofa auf. Dann legte er seine Beine auf einen kleinen, fellbezogenen Hocker und sah ihn an.
»Ich verstehe deine Unruhe und weiß sie auch zu schätzen, aber du solltest dich darauf verlassen, dass ich weiß, wie man mit solchen Situationen umgeht. Wir erleben das nicht zum ersten Mal.«
»Es fällt nur alles so unglücklich zusammen. Erst stirbt der Engländer, und nun haben wir auch noch diese Sache am Hals. Ich habe gerade mit den Schweden gesprochen. Sie glauben, dass es nochnicht ausgestanden ist. Wenn wir sie nicht aufhalten, werden weitere Artikel folgen. Überall stellen sie ihnen Fragen. Und die anderen Zeitungen springen auf den Zug auf. «
Møller saß stumm auf dem Sofa, die Schultern unnatürlich nach oben zogen. Miriam hatte sich hinter ihn gestellt und angefangen, sanft seinen Nacken zu massieren, damit er sich entspannte. Er nahm Miriams Hand und tätschelte sie ein wenig.
Wendel sah zu Miriam auf. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte milde zurück. Es war widerlich, fand Wendel. Aber das würde er nie laut sagen dürfen. Møller leitete sie und war gezwungen, seine eigenen Regeln aufzustellen. So war es immer gewesen, und selbst wenn man glaubte zu wissen, was er plante, lag man mehrere Gedankenschritte hinter ihm. Das hatte Wendel schon oft erfahren müssen. Miriam würde seine Nachfolgerin, und langsam gelang es ihm, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen.
Wendel stand auf und trat zum Fenster. Er hatte immer das Gefühl, sich besonders konzentrieren zu müssen, um nicht verrückt zu werden, wenn sie sich in Møllers Haus außerhalb von Harare trafen. Møller hatte mit seiner Einrichtung die perfekte Kopie eines bürgerlichen Heims im Dänemark der dreißiger Jahre geschaffen. Wendel lehnte sich vorsichtig an ein Bücherregal aus geflammter Buche und Rosenholz auf einem schwarzen Mahagonisockel. Er hegte schon lange den Verdacht, dass das, was Møller hier wiederauferstehen ließ, nicht sein Elternhaus war, sondern lediglich eine Illusion, seine Wunschvorstellung eines Elternhauses. Sicherlich kam er aus sehr gutem Hause, aber so, wie Møller sich einrichtete, hatte Wendels Auffassung nach noch nicht einmal zu
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