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Die Wohltaeter

Titel: Die Wohltaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuri Kino Jenny Nordberg
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ganz einfach nur nicht genug gemocht, aber das sagte sie Jesse nie. Ihre Mutter war tot. Sie würde niemals zurückkehren, dessen war sie sich gewiss.
    Davon abgesehen war sie der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Sie hatte Jesse, er würde sie nie verlassen. Und er sagte immer, dass er ihr die ganze Welt zu Füßen legen würde. Das klang spannend. Als ob sie einmal eine wichtige Aufgabe übernehmen würde. Sie wusste, dass Jesse über viele Menschen Macht hatte. Deshalb konnte er nicht immer bei ihr sein, obwohl sie ihn meistens begleiten durfte. Sie sollte erkennen lernen, was die Menschen brauchten, sagte er immer. Damit sie mit ihm zusammenarbeiten konnte, wenn sie groß war.
    Was genau er damit meinte, wusste sie nicht, hoffte aber, dass ihre Aufgabe immer neue Kleider mit Rüschenbesatz erfordern würde. Am liebsten in Rosa, oder in Grün vielleicht, diese Farbe mochte sie auch.
    Nach dem Essen hatte Jesse sie mit zur Vorderseite des Hauses genommen, und sie hatten zusammen auf der Terrasse gestanden. Es würde eine Überraschung für sie geben, hatte er gesagt.
    Die Hofarbeiter begannen, die Plane zu lösen, die fast den ganzen Rasen bedeckte, und sie kreischte vor Entzücken, als sich der erste Ballon seinen Weg bahnte. Ihm folgten viele weitere. Sie stiegen vom Boden auf; erst einer nach dem anderen, dann ganze Trauben. Ihr gesamtes Blickfeld füllte sich mit weißen Ballons, und sie klatschte vor Aufregung in die Hände.
    »Die Ballons sind du und ich gegen den Rest der Welt, verstehst du?«, flüsterte er ihr zu, während die Ballons gen Himmel stiegen. »Es liegt dir im Blut. Dein Blut und meine Arbeit, wir werden gemeinsam Großes vollbringen.«
    Das fühlte sich für sie ganz natürlich an. Er, der Herr über die Ballons, konnte alles wahr werden lassen.

7
     
     
    Alfred Rasks Sprechzimmer lag am Ende eines langen Korridors mit bleichblauem Linoleumfußboden und passenden Wänden. Rask war einer der wenigen in der langen Reihe von Ärzten, die Ninos besucht hatte, zu dem er wiedergekommen war. Jetzt saß er auf einem Stuhl und versuchte, so gesund wie möglich auszusehen. Heute war der Tag, an dem die Krankschreibung aufgehoben würde, hoffte er. Deswegen musste der Koch ein paar Stunden ohne ihn auskommen. Es war Montag, und er rechnete nicht mit besonderen Vorkommnissen.
    Ninos reckte sich ein wenig und blieb mit dem Blick an einem kleinen, weißen Kranium hängen, das im Bücherregal lag. Er konnte keinen Totenkopf betrachten, ohne an Massengräber zu denken. Dann begann er zu phantasieren, welche Seele wohl in diesem Schädel gehaust hatte, bevor er zu einem Untersuchungsobjekt in irgendeinem Arbeitszimmer geworden war.
    Auf die Schimpftirade, die ihren Lauf nahm, als der Doktor zur Tür hineinkam, war er nicht vorbereitet gewesen.
    »Sind Sie noch ganz richtig im Kopf«, brüllte Rask, ohne aus Ninos aktueller Krankenakte aufzusehen, die er vor sich hielt. »Einfach anzurufen, sich gesundschreiben zu lassen und sich hinter die Theke zu stellen – bei ihrer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit und allem.«
    Doktor Rask war ein hochgewachsener Mann, der aussah, als hätte er sich Zeit seines Lebens balaststoffreich ernährt und zwischendurch ein paar Armbeugen gemacht. Er zog seine Brille aus der Tasche und setzte sie auf die Nase.
    »Sie verstehen anscheinend nicht, dass ich darüber bestimme, ob Sie gesund oder weiterhin krankgeschrieben sind.«
    »Ich war dazu gezwungen«, sagte Ninos, »sonst rückt mir meine Versicherung auf die Pulle, und mein Kumpel verliert den Verstand. Außerdem fühle ich mich ziemlich gesund, ein bisschen was habe ich wohl auch mitzureden«, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen.
    Rask sah ihn über den Rahmen seiner Brille hinweg an. »Genau genommen nicht. Ich habe sechs Jahre darauf verwendet, mich zum Arzt auszubilden, und weitere zehn Jahre, um Dozent der Psychiatrie zu werden. Was zur Folge hat, dass ich mich für qualifiziert genug halte, um einschätzen zu können, wie es Ihnen geht. Und zwar besser als Sie selbst.« Er schürzte ein wenig die Lippen. »Im Übrigen glaube ich, sie meinten auf die Pelle rücken, als Sie von Ihrer Versicherung sprachen.«
    Er lächelte Ninos an. Die Patienten durften gern polemisieren, wenn ihnen danach war, aber Rask war schon eine Weile dabei und dachte nicht daran, das Regelsystem des Gesundheitswesens außer Acht zu lassen, nur weil einer seiner Patienten nicht auf den Mund gefallen war. Er beherrschte seinen

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