Die Wohltaeter
in allen Zimmern zu installieren und das Haus bis auf die Grundmauern zu sanieren hätte enorme Kosten verursacht. Die Angelegenheit war schließlich beim britischen Staat gelandet, auf dessen Schultern zu dieser Zeit zu viel verfallenes Kulturerbe lastete, sodass eine Übernahme abgelehnt wurde. Irgendjemand hatte dann ein erfolgloses Konferenzhotel dort betrieben, bis die Wasserleitungen zerbarsten. So war es der Bewegung möglich gewesen, das Gebäude für einen symbolischen Betrag zu erstehen, berichteten Rolf und Else, die an der Schule unterrichteten.
Sie hatten Tuva am Flughafen abgeholt und sprachen sowohl Dänisch als auch Schwedisch. Die Kurse wurden jedoch auf Englisch gehalten, da die Studenten aus ganz Europa kamen. Sie alle waren Auserwählte und teilten den Traum von einer harten Arbeit als Freiwillige.
Der einmonatige Aufenthalt kostete fünftausend Pfund. Tuva hatte die Zahlung bereits in Stockholm mit einem Barscheck erledigt, den ihr Ausbilder Leif entgegengenommen hatte. Man konnte natürlich nicht einfach irgendwen zu einem Projekt nach Afrika schicken, hatte er erklärt, es bedurfte einer vorherigen Ausbildung. Das leuchtete ihr ein.
Ihre Gruppe würde aus elf Schülern bestehen. Fünf von ihnen waren bereits angekommen, die anderen würden im Laufe der Woche eintreffen. Die Einrichtung des Hauses entsprach nicht wirklich der illusorischen Erwartung, die es in ihr geweckt hatte, als das Auto in die Kiesauffahrt eingebogen war. Tuva verspürte ein heftiges Unbehagen, als man ihr den großen Schlafsaal zeigte, der lediglich mit alten Etagenbetten aus Eisen möbliert war. Die hatten so gar nichts Romantisch-Antikes an sich, und Else berichtete, dass der Hof während des Krieges auch als Militärquartier für amerikanische Flieger genutzt worden war.
Tuva schämte sich sogleich ihrer eitlen Gedanken und erinnerte sich selbst daran, warum sie hier war. Nicht zu ihrem eigenen Vergnügen. Sie wünschte sich plötzlich, dass Leif aus Stockholm schon hier wäre, den sie bereits etwas kannte und der so gut darin war, all ihre Zweifel aufzufangen, wenn sie Geld sammelten. Leif sprach immer über die Arbeit im Kollektiv, wenngleich sie ihn nie selbst mit einer Sammelbüchse in der Hand gesehen hatte. In jedem Fall war er jedoch ihr Ausbilder, und sie brauchte ihn. Sie hatte erfahren, dass er einer ihrer Kursleiter sein würde, es jedoch nicht gewagt, zu fragen, warum er noch nicht angekommen sei.
Else ließ Tuva im Schlafsaal zurück, die ihr minimales Gepäck aus der kleinen Tasche auspackte. Zu viele persönliche Dinge erweckten einen unseriösen Eindruck, denn der Kurs war als eine Vorbereitung auf weitaus schwierigere Verhältnisse geplant. In einer kleinen Plastiktüte lagen ihr Antihistaminikum und das Nasenspraygegen den Bing-Horton-Kopfschmerz. Sie hatte schon seit einigen Jahren keine Symptome mehr gehabt, doch sicherheitshalber hatte sie das Gegenmittel mitgenommen, falls ihr die Krankheit doch wieder ein Messer ins Auge bohren sollte. Denn genau so empfand sie diesen heftigen Kopfschmerz. Nachdem sie ihren Schmerz so genau wie möglich beschrieben hatte, tippte der Arzt auf diese seltene Art der Migräneerkrankung, und seither hörte ihr unliebsamster Besucher auf den Namen Horton.
Darüber würde sie sich jedoch jetzt, wo sie den ersten Schritt erreicht hatte, keine Gedanken mehr machen. Etwas so Lächerliches wie Kopfschmerzen würde sie nicht daran hindern, zu beweisen, welch eine perfekte Freiwillige sie wäre.
Es klopfte leise an der Tür, und ein junger Mann kam herein und stellte sich als Marius aus Kristiansand in Norwegen vor. Er träumte davon, nach Botswana zu gehen und mit HIV-Infizierten zu arbeiten. Tuva war glücklich, mit einem Gleichgesinnten über ihre Ambitionen sprechen zu können. Sie erzählte, dass sie selbst am liebsten nach Zimbabwe wolle. Marius konnte ihr Schwedisch ausgezeichnet verstehen, sie begriff allerdings nicht alles, was er erzählte, sodass sie nach einer Weile beschlossen, Englisch miteinander zu sprechen. Er witzelte ein wenig darüber, dass die Norweger die Möglichkeit hatten, schwedisches Fernsehen zu empfangen, und daher schon früh die Sprache lernten, wohingegen die Schweden sich noch nicht einmal die Mühe machten, die Norweger verstehen zu wollen. Tuva verzieh ihm seine Nonchalance.
Besonders norwegisch sah Marius in Tuvas Augen nicht aus mit seinen etwas zu langen, schwarzen Haaren, die ihm in die Augen hingen. Aber etwas in seinem Blick kam
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