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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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im Gedankenlesen, im Geistersprechen und in der Prophetie. Aber es wird einige Zeit dauern, Wassilissa einordnen zu können, wenn sie denn überhaupt ein Medium ist …«
    »Nun, ist sie eins?«, unterbrach Gwaine. »Ist sie eine Seherin?«
    Elaine kratzte sich am Kinn. »Die Werwölfe würden sie als Frühlingskind bezeichnen. Sie glauben, dass ihre Göttin sie mit einem guten Frühling und reicher Jagdbeute belohnen wird, wenn sie ihr Wassilissa bei Vollmond opfern. Der Geist des Kindes wird von der Göttin absorbiert und erneuert sie, der Körper wird vom Rudel verschlungen.«
    »Guter Gott«, flüsterte Mordred.
    »Man bezeichnet sie nicht ohne Grund als Unholde«, erwiderte Billi. »Aber Menschenopfer waren in primitiven Religionen weit verbreitet.« Sie hatte alles darüber gelesen, wie die Anhänger der Göttin ihr Opfer, mit Blumengirlanden und Edelsteinen geschmückt, an einen heiligen Ort führten, bei dem es sich um eine Höhle, eine Lichtung oder einen See handeln konnte. Eine Priesterin schlachtete dann als Göttin verkleidet den Körper, um ihn unter den Gläubigen aufzuteilen.
    »Und diese Göttin? Wer ist sie?«, fragte Mordred.
    »Gaia. Hekate. Morrigan. Isis«, sagte Elaine mit einem Schulterzucken. »Sie ist die Göttin der Natur, der Wildnis und der Magie. Sie wird seit vorgeschichtlichen Zeiten verehrt, und jede Kultur hat einen anderen Namen für sie. Aber die Polenitsy nennen sie bei ihrem ururalten Namen.« Elaine sah sich im Kreis um. »Baba Jaga.«
    »Aber die ist doch nur eine Märchenfigur«, sagte Mordred. »Es gibt sie nicht wirklich.«
    »Oh doch, es gibt sie durchaus. Eine uralte, weise und sehr böse Hexe.« Elaines Augen zogen sich zusammen, als sie den jungen Knappen musterte. »Und einst beteten die Menschen sie so sehr an wie wir heute unsere Götter.«
    »Die Erzählungen müssen ja bei irgendjemandem ihren Ursprung genommen haben«, sagte Gareth.
    Elaine nickte. »Stellt euch vor, jemand käme zu eurem Stamm. Sie kann die Elemente kontrollieren. Gedanken lesen und mit den Tieren sprechen. Mit einer Berührung Verletzungen heilen. Was würdet ihr denken?«
    »Man würde sie für eine Göttin halten«, räumte Mordred widerstrebend ein.
    Elaine wies auf das Kruzifix an der gegenüberliegenden Wand. »Ist ihre Geschichte so anders als seine?«
    Arthur schnaubte. »Willst du damit sagen, dass Baba Jaga wie Jesus ist? Dafür wirst du in der Hölle brennen, Elaine.«
    »Die Zeit vergeht«, fuhr Elaine fort, »Baba Jagas Kräfte nehmen ab. Es kommt zum Aufstieg der neuen Religion, und das Christentum und die sich ausbreitende Zivilisation treiben sie tiefer in die Wildnis. Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert vergessen mehr Menschen sie. Nur wenige erinnern sich noch an die alte Religion, und die Polenitsy gehören zu ihnen. Sie füttern sie mit den Seelen der Frühlingskinder; sie nimmt ihre Kräfte, Erinnerungen und Leben in sich auf und wird so erhalten, schwach und gebrechlich, aber lebendig.«
    »Ist das möglich? So lange am Leben zu bleiben?«, fragte Billi Elaine. Wenn dies alles zutraf, dann musste Baba Jaga im Laufe ihres überlangen Lebens Tausende, ja Zehntausende getötet haben.
    »Man nennt es das Ritual des Verschlingens, und es ist das düsterste aller maleficia «, sagte Elaine und gebrauchte den Ausdruck der Templer für Schwarze Magie. »Ein mächtiges Medium kann einem anderen Medium die Lebenskraft entreißen; das ist der Grund dafür, dass Baba Jaga nur … begabte Kinder verschlingt. Ein normales würde ihr nicht das Geringste nützen.«
    »Verschlingt?«, fragte Billi.
    Elaine riss den Mund weit auf und tat, als würde sie Essen hineinschieben. »In einem Stück.« Sie tätschelte sich den Bauch. »Darum geht es schließlich bei einem Opferritual. Die Seele des Opfers erneuert die Lebenskraft des Gottes. In Baba Jagas Fall trifft das wortwörtlich zu.«
    »Also ist Wassilissa Nahrung für diese Baba Jaga«, murmelte Mordred. »Wenn sie denn eine Seherin ist.«
    »Und wenn sie keine ist?«, blaffte Gwaine. »Dann wäre Pelleas umsonst gestorben.«
    Arthur stand wieder auf. »Wir lassen nicht zu, dass Werwölfe unschuldige Kinder rauben. Pelleas ist nicht umsonst gestorben.« Er nickte Elaine zu, und sie setzte sich hin. Er sah sich im Kreis um. »Wassilissa wird bei uns bleiben, bis wir herausgefunden haben, ob sie ein Medium ist oder nicht. Wenn nicht, dann sorgen wir dafür, dass sie an einen sicheren Ort adoptiert wird. Wenn sie eine Seherin ist, wird

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