Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
sie für den Orden rekrutiert und beginnt ihre Ausbildung.« Er sah Billi an. »So Gott will, wird Wassilissa Tempelritterin werden.«
»Warte kurz, Billi!«
Als die Ritter die Kirche verließen, eilte Elaine quer über den Hof auf sie zu. Billi sah auf die Uhr. Eine Stunde bis zur Schule. Sie würde dem Mädchen das Frühstück hinstellen und dann in die Waffenkammer gehen, um noch schnell zu trainieren. Wenn sie diesen Mondsüchtigen das nächste Mal begegnete, wollte sie bereit sein.
»Nur einen Augenblick.« Elaine blieb stehen, um zu verschnaufen.
»Diese Zigaretten bringen dich noch um.«
»So einiges bringt einen um.« Elaine legte Billi die Hand auf den Arm. »Ich wollte nur wissen, wie es mit dem Breiumschlag aussieht.« Sie warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass die anderen Templer weitergegangen waren. »Vielleicht könnten wir uns kurz unterhalten? Du hast schon gefrühstückt?«
»Einen Napf voll Hundefutter. Sehr lecker.« Die Wunden juckten noch, aber das hieß, dass die Kräuter ihre Magie entfalteten. Noch ein paar Tage, dann würde sie sie abnehmen und vollständig geheilt sein. Aber Elaines Aufmerksamkeit galt nicht Billis Verletzungen; etwas anderes beschäftigte die alte Frau. »Was willst du, Elaine?« Billi formte eine Schale mit den Händen und blies hinein. »Es ist eiskalt hier draußen!«
Elaine sah zu Billis Haus hinüber. »Wie geht es unserem jungen Gast?«
Billi zuckte mit den Schultern. »Was denkst du?«
»Weißt du noch, wie es war, als Kay hergekommen ist? Es war genauso.«
Billis Augen verengten sich. »Ach ja?«
»Ihr beiden habt zusammengehalten wie Pech und Schwefel.« Elaine sah Billi tief in die Augen. »Er war ein verängstigter kleiner Junge, und du hast auf ihn aufgepasst, Billi. Es war nicht deine Aufgabe, aber du hast es getan. Das hat die alte Billi getan.«
Billi schob Elaines Hand von ihrem Arm. »Ich bin nicht mehr dieses Kind.«
»Ich sage ja auch nur, dass das Mädchen eine Freundin braucht, jemanden, der selbst einmal da war, wo sie jetzt ist. Es wird alles sehr schwer für sie werden.«
»Ach, und für mich war es nicht schwer?«
Sie war mit zehn Jahren gezwungen worden, in den Orden einzutreten. Die nächsten fünf Jahre ihres Lebens waren ein schieres Elend aus endlosem Training, Verletzungen und Lügen in der Schule gewesen. Ihre Freunde hatten sich nach und nach von ihr abgewandt, und als Kay zur weiteren Ausbildung nach Jerusalem geschickt worden war, hatte sie all ihre Zeit allein verbracht.
»Das sage ich doch gar nicht, und das weißt du auch. Kümmert es dich nicht, was mit ihr geschieht? Ist es dir denn nicht wichtig …«
Billi unterbrach sie. »Nein, es ist mir nicht wichtig.« Sie konnte es sich nicht leisten. »Alles, was mir jetzt noch wichtig ist, ist der Orden.«
»Kay war dir wichtig.«
»Das war ein Fehler.«
Elaine schüttelte den Kopf. »Ich habe mich in dir getäuscht, Billi.« Sie wandte sich zum Gehen. »Ich dachte, Kays Opfer würde etwas bedeuten.«
»Es bedeutet, dass ich eine bessere Templerin hätte sein sollen.« Wenn sie das gewesen wäre, wäre Kay vielleicht noch am Leben.
Elaine schlurfte mit gesenktem Kopf erschöpft davon. »Du bist die Tochter deines Vaters.«
5
Billi wusste, dass sie inzwischen anders hätte empfinden sollen. Aber in ihr war eine Leere, die nichts füllen konnte. Ganz gleich, wie oft sie trainierte, wie hart sie kämpfte, das Loch schien nur zu wachsen. Sie hatte Kay zu sehr gemocht und ihre wahren Gefühle erst erkannt, als er tot gewesen war.
Nie wieder.
Sie saß in der Küche und starrte das Tablett an, das Lance dagelassen hatte.
Elaine war zu weich. Aber sie konnte es sich ja auch leisten: Sie war keine Templerin.
Billi kannte ihre Prioritäten, und auf ein kleines Mädchen aufzupassen kam sehr weit unten auf der Liste. Ihre Aufgabe war, in der Bataille Ténébreuse zu kämpfen, im Dunklen Kampf. Für Schwäche war da kein Platz.
Sie trug das Tablett die Treppe hinauf ins oberste Geschoss und blieb vor Wassilissas Zimmer stehen. Billi klopfte und ging dann sofort hinein. Je schneller das hier vorbei und erledigt war, desto besser. Sie hatte nicht die Absicht, Wassilissa einzulullen und dafür zu sorgen, dass die Kleine sich sicher und beschützt fühlte, wenn sie doch bald ihre wahre Bestimmung bei den Tempelrittern finden würde.
Wassilissa saß mit dem Rücken zu Billi auf einem alten hölzernen Schaukelstuhl und sah aus dem kleinen Fenster. Sie
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