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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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zweite Werwölfin daraus hervortrat. Billi entschlüpfte ein Seufzen, als die Aufmerksamkeit der Alten Grauen sich auf den Neuankömmling richtete. Diese Bestie war im besten Alter, sehr muskulös, mit dichtem rotem Fell und glänzenden, rasiermesserscharfen Klauen. Ihre Augen hatten das gleiche Grün wie die des älteren Monsters, und Billi wusste sofort, dass sie verwandt waren, nicht nur aufgrund der Augen, sondern auch wegen der Art, wie die Große Rote die Haltung und die Bewegungen der älteren Wölfin nachahmte. Die Alte Graue knurrte die jüngere Werwölfin an.
    Sie machten einen Satz vorwärts, brachen durch die Hecke und huschten verschwommen über das Feld. Mondlicht lag silbern auf ihren Rücken, aber binnen Sekunden verblassten sie.
    Pelleas sprang auf. »Schnell, Billi! Was ist da drüben?« Er wies mit dem Rapier auf das gegenüberliegende Ende des Felds, dorthin, wohin die Wölfe gerannt waren.
    Da drüben? Billi zermarterte sich das Gedächtnis. Sie hatte erst vor einer Stunde einen Blick auf die Generalstabskarte geworfen …
    »Ein Bauernhaus.« Oh nein .
    Pelleas fluchte und versuchte vergeblich, sich durch die Hecke zu zwängen.
    »Pelleas!«, zischte Billi. »Die anderen.« Ihre Blicke begegneten sich. Zwei Ritter mochten ja gegen einen einzelnen Werwolf bestehen können, aber die Erfolgsaussichten verringerten sich sehr, wenn es zwei gegen zwei stand. Sie hätten auf Verstärkung warten sollen. Aber sie konnte das Feuer in seinen Augen sehen. Pelleas war gertenschlank, jedoch so zäh und schnell wie eine Peitschenschnur. Er würde die Werwölfe nicht entkommen lassen, nicht, nachdem er sie beim letzten Mal verloren hatte.
    »Es ist unsere Pflicht, Billi.« Er sprang über die Hecke und rannte los.
    Pflicht. Immer die Pflicht. Es war ihre Pflicht zu kämpfen, ganz gleich, wie die Aussichten standen, ganz gleich gegen welchen Feind. Zu kämpfen und wenn nötig zu sterben.
    War es nicht das, was Templer am besten konnten? Sie nannten es Märtyrertum, aber es lief auf dasselbe hinaus. War das nicht eine der Ordensregeln?
    Ihr sollt den Märtyrern Gesellschaft leisten.
    Sie brauchten Verstärkung, auf der Stelle. Billis Daumen hämmerte B-A-U-E-R-N-H-A-U-S in ihr Handy, während sie gleichzeitig ihr Schwert aus der Scheide zog. Mit erhobenem Wakizashi drehte sie sich zur Seite und versuchte, mithilfe ihrer langen Beine über die Hecke zu steigen. Sie verfing sich und schürfte sich auf, kam aber am Ende durch und lief hinter Pelleas her.

2
    Ein Heulen – halb tierisches Jaulen, halb menschlicher Schrei – zerriss die Nachtluft. Billi strengte ihre langen Beine stärker an und schloss zu Pelleas auf. Aber als sie das Funkeln des Mondscheins auf ihrer blanken Klinge sah, wich die Angst langsam etwas anderem – Erregung. Feuer stieg in ihren Eingeweiden auf, entlang ihrer Arterien, bis ins Herz. Ihre Fingerknöchel wurden weiß, als sie den Schwertgriff noch fester umklammerte.
    Vor sich hörte sie Glas splittern, dann weitere Schreie – und diese waren sehr menschlich.
    »Komm, Billi!«, rief Pelleas. Binnen eines Augenblicks war er über einen niedrigen Holzzaun gesprungen.
    Billi war nicht weit gelaufen, aber das Herz hämmerte ihr in der Brust, als wäre es ein Marathon gewesen. Sie stolperte die letzten paar Meter und prallte gegen den Zaun. Auf den Knien schüttelte sie den Kopf, um ihn klar zu bekommen. Geheul, Schreie und Pelleas’ Schlachtruf erklangen. Billi rieb sich den Schnee aus dem Gesicht und sah Pelleas mit hocherhobenem Rapier ins Haus stürmen. Dann hörte sie den Aufschrei eines Mannes, der plötzlich abbrach und in einem röchelnden Husten endete.
    Jeder vernünftige Mensch hätte sich umgedreht und gemacht, dass er wegkam.
    Aber wann war auch nur irgendein Teil von Billis Leben vernünftig gewesen?
    » Deus vult !«, schrie sie, kletterte über den Zaun und hastete auf das Bauernhaus zu. Der gelb gepflasterte Weg war mit Glasscherben der Fenstertüren übersät. Billi sprang durch den Türrahmen in die Küche.
    Ein Mann war tot. Er lag verkrümmt auf den Steinplatten des Bodens; sein Brustkorb war aufgerissen, und sein Herzblut bildete eine Lache um ihn. Seine Beine, die in gestreiften Schlafanzughosen steckten, zuckten – aber nur einen Moment lang.
    Die Alte Graue, deren Schnauze und Zähne von dem Mord noch gerötet waren, bewegte sich misstrauisch vor Pelleas hin und her; sie suchte nach einer Lücke, um an seinem tödlichen Stahl vorbeizukommen. Hinter ihr hatte die

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