Die Wolkenkinder
es das Natürlichste der Welt wäre, dass Schweine Geschirr benutzten.
„ Und das wundert dich nicht?“ fragte Randolf verstört.
„ Nö!“ lautete die Antwort. „Die Sache ist doch ganz einfach! Ein uralter Trick, den jeder kennt, der auf einer Burg aufgewachsen ist!“
„ Na dann erkläre mal!“ war Dietbert neugierig.
„ Wenn man als Fürstensohn erzogen wird, so wie ich, muss man auch eine Art militärische Ausbildung mitmachen. Nun, die fing gerade bei mir an, als unser Haus überfallen wurde, also wurde nicht viel daraus; aber die ersten Lektionen habe ich doch erhalten und eine davon ging so: Wenn du weißt, dass der Gegner übermächtig ist und du über kurz oder lang dein Leben und das deiner Leute riskierst, ziehe dich in die Wälder zurück und versuche später wieder an deinen Besitz zu kommen. Um aber nicht sofort verfolgt zu werden, muss die Burg oder dass Schloss bewohnt aussehen, sodass der Gegner sich möglichst lange damit aufhält, die Anlage zu erobern. Man entfacht also in allen Kaminen Feuer, stellt auch ein paar brennende Feuerfässer in den Hof und – jetzt kommt es! – man sorgt für eine Geräuschkulisse! Die Feuer hier auf der Burg sind mit Sicherheit schon niedergebrannt, weil der Altgraf mit seinen Leuten schon länger weg ist, was aber noch übrig ist, sind die Schweine, denen man zwecks Geräuscherzeugung alles mögliche angebunden und umgehängt hat! Und so seht ihr jetzt, was ihr seht! Noch Fragen?“
„ Du bist dir also sicher, dass die Burg verlassen ist und wir niemanden mehr antreffen werden!“
„ So ist es!“
„ Dann wäre ja alles klar!“ freute sich Dietbert. „Wir haben die Burg genommen, also werden wir befördert! Wir sind gemachte Leute!“
„ Nun mal langsam!“ beruhigte Randolf seinen Freund. „Die Theorie Lothars ist noch nicht bewiesen!“
„ Wirst schon sehen!“ beharrte dieser.
Vorsichtshalber durchkämmten die Jungs mit gezogenen Waffen die weitläufige Burg.
Die riesige Anlage lag da, wie in einem Dornröschenschlaf. Alle Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Bedarfs standen oder lagen herum – man hatte anscheinend nur das wertvollste mitgenommen und sich schnell aus dem Staub gemacht.
Die Jungs blieben weiter vorsichtig, zumal die Situation wirkte, als ob es sich hier um eine ganz normale mittelalterliche Burgszene handeln würde, mit der Ausnahme, dass die Leute fehlten und komische Säue umherliefen. Und dann! Tatsächlich: Man fand auch die verkohlten Feuerreste in den entsprechenden Eisenkörben. Lothar hatte vollkommen recht gehabt.
Von außerhalb der Burg konnte man nun das geplante Gekreische und Gejohle der angreifenden Bauern hören. Klar, die konnten ja nicht wissen, dass sie sich das hätten sparen können.
„ Werden sich wahrscheinlich wundern, dass sich für sie niemand interessiert!“ war Lothar schadenfroh.
„ Weiß man nicht mal“, winkte Randolf ab. „Die sind so mit sich selbst beschäftigt...“
„ Würde mich nicht wundern“, unkte Dietbert, „wenn die nachher Verletzte oder gar Gefallene mit ins Lager brächten! Hört euch das Gebrüll da draußen an! Die sind dermaßen aufgeputscht, wenn die keinen Gegner finden, machen die sich gegenseitig kalt!“
Sie streiften weiter umher, untersuchten Freiflächen und stocherten dabei in Strohballen, stellten alle Räumlichkeiten auf den Kopf, sahen dabei unter jeden Tisch, in jede Truhe, ja sogar Keller und Dächer wurden begutachtet, um einen eventuellen Hinterhalt auszuschließen.
Schließlich kam Dietbert freudestrahlend aus einem der Keller, hielt eine gute Flasche Wein in die Höhe und triumphierte: „Seht euch das an! Es ist fast alles noch da! Die hatten es anscheinend ganz schön eilig! Wenn man wollte, könnte man morgen hier einziehen – es fehlt an nichts!“
Zwanzigstes Kapitel
Schon als die Jungs sich wieder im Torbogen der Burg zeigten, hatten die nachrückenden Truppen des Oberst sie entdeckt. Alle starrten zu ihnen hoch, und wussten nicht, wie sie die Situation einschätzen sollten. Es herrschte Totenstille, auch von hinter der Burg kam kein Gejohle mehr - die Bauern hatten endlich gemerkt, dass keiner auf ihr Theater reagierte.
Die Jungs standen etwa zwei Meter über den geisterhaft näherrückenden Truppen, die sie fasziniert beglotzten. Jeder der Männer erwartete irgendetwas, keiner wusste, ob die drei da oben als Geiseln
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