Die Wolkenkinder
grinsend, ab; stattdessen massierte er lieber weiter umständlich an seinen geschundenen Gliedern herum.
„Macht euch nur eine Gaudi aus meiner Pein!“ jammerte Randolf. „Ihr ahnt ja gar nicht, wie ich leide!“
„Leid! Leid, mein Freund?“ setzte Dietbert nachdenklich und in sehr ruhigem, fast abwesenden Ton an. „Leid ist ein großes Wort ...“
Es entstand schlagartig eine lange, bedrückende Stille. Niemand wiedersprach ihm, ahnten sie doch, was er in den vielen Kriegsjahren, die er mit gemacht hatte gesehen haben musste.
Nach unendlichen Minuten des stillen Gedenkens an die vielen Opfer dieses ganzen Wahnsinns, setzte Dietbert erneut sehr verklärt an: „Ich hatte da auch mal ein Mädchen ...“
Tiefes Schweigen folgte, keiner wagte nachzufragen.
„Eines Tages ist die Nachhut in der wir uns befanden in einen Hinterhalt geraten ... Ich konnte nichts für sie tun ... Nur gut, das sie in meinen Händen gestorben ist, wenn diese Kerle sie lebend erwischt hätten ... Ich konnte sie nicht einmal beerdigen, das verzeihe ich mir nie! Aber ich war selbst hilflos! Ich musste schnell zur Truppe! Ihr habt keine Vorstellung, was die Schweden mit einem machen! Nur so zum Spaß!“
Wieder folgte langes Schweigen, bevor Randolf den Arm um seinen Freund legte: „Tut mir leid. Ich wusste wirklich nicht ...“
„Schon gut!“ verzog Dietbert bitter das Gesicht. „Manchmal sage ich mir, dass das alles gar nicht wahr ist, was mir da immer und immer wieder in meinem Kopf herumspukt. Das ist jetzt alles schon wieder so lange her und seit ich bei euch bin, hat mein Leben neu begonnen! Ich glaube ich kann es schaffen – ich kann diesen verdammten Krieg vielleicht vergessen. Man darf mich nur nicht daran erinnern ...“ Dietbert wog seinen Kopf, überlegte und lachte plötzlich: „Möglicherweise sollte ich mir auch mal was Hübsches zulegen, das könnte enorm helfen! Gerade jetzt, wo ich so ein schmucker Knappe geworden bin. Und hier am Hof ist die Auswahl ja wirklich prächtig! Was meint ihr, Jungs?“
Die allgemeine Anspannung löste sich und Randolf meinte, indem er Dietbert auf die Schultern schlug: „Gute Idee! Gleich morgen halten wir mal tüchtig Ausschau für dich!“
„Verzeiht der Herr!“ widersprach ihm Dietbert gekünstelt einen Edelmann spielend. „Da werde ich Eure Hilfe dankend ablehnen müssen. Bei anderer Gelegenheit gerne, aber in diesem Falle gilt das Motto: Selbst ist der Mann! Das wirst du doch verstehen! Nicht war?“
„Aber selbstverständlich, der Herr!“ antwortete Randolf ebenfalls gekünstelt durch die Nase sprechend.
Die Kerzen waren schon lange gelöscht und der total erschöpfte Lothar grunste schon tief schlafend in seinem frisch bezogenen Bett, als Randolf sich aufraffte und sich noch einmal vorsichtig an Dietbert wandte: „Schläfst du schon?“
„Nö! War doch alles ein bisschen viel heute! Bin zwar todmüde, finde aber nur schwer Ruhe.“
„Ich hätte da noch mal so eine Frage an dich: Du hast vorhin im Spaß gesagt, dass Lothar neidisch wäre und so weiter. Glaubst du wirklich, dass ich bei Amelie gelandet bin?“
„Keine Frage, alter Freund! Die hast du klar gemacht! Mein Wort!“ Dietbert war sich in dieser Sache vollkommen sicher.
In dieser Nacht schlief Randolf besonders gut und träumte von einer Zukunft mit Amelie und ihren gemeinsamen Kindern.
„Jeden Morgen die gleiche Arie!“ meckerte Dietbert vor sich hin. „So schön das hier auch alles ist, dieser Scheiß mit der Etikette hängt mir langsam zum Halse heraus!“
„Komm schon her, Mann! Ich helfe dir beim Schleifchen binden“, bot Randolf väterlich an.
Anziehen durften die Jungs sich zwar alleine, sie wurden jedoch von Kammerdienern scharf kontrolliert und gerade bei Dietbert, der diesen ganzen Tand eh nicht leiden konnte, fanden die strengen Kontrolleure immer etwas zu kritisieren.
„Heute geht’s in die Stadt!“ freute sich Lothar unbändig. „Endlich! Wir kommen unters Volk! Da wird was los sein!“
„Erst einmal kommen wir zum Herrn Pastor! Hoffentlich ist der nicht ganz so streng!“ machte sich Dietbert Sorgen, der viel lieber wieder auf dem Fechtplatz gestanden hätte.
„Als Erstes werden wir mit Amelie zusammen in die Stadt geleitet. Das ist mir am Wichtigsten!“ unterstrich Randolf, der nachdem es eh heraus war, überhaupt kein Problem mehr damit hatte, bei
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