Die Wolkenkinder
seinen Kumpels von seinen Gefühlen für Amelie zu sprechen – hoffentlich, dachte er, gelingt mir eine solche Offenheit bei Gelegenheit auch ihr gegenüber, ohne das ich mich wieder zum Deppen mache.
Es war soweit: Die Jungs wurden gemustert und außer ein paar kleinen Zupfern hier und dort hatten die Kammerdiener nichts zu beanstanden, sogar Dietberts Halsschleife saß zu deren Überraschung perfekt.
Nach einem reichhaltigen Frühstück in der kühlen, rauchigen Gesindeküche war Sammeln auf dem Hof angesagt. Der Graf wollte eigentlich die Comtesse und ihre Begleiter per Kutsche zum Pastor bringen lassen, doch Amelie stand der Sinn mehr nach einem schönen Spaziergang und der Graf konnte ihr nie etwas abschlagen. So ging man also zu Fuß. Der Graf bestand allerdings auf einer schlagkräftigen Eskorte – selbst wenn die Stadt in absolutem Frieden lag und nur wenig Fremde in den Mauern zu Gast waren.
Normalerweise wäre es sowieso des Pastors Pflicht gewesen zum Unterricht des Grafenspößlings am Hof zu erscheinen, was er in der Vergangenheit auch immer brav getan hatte, im Moment allerdings plagte ihn die Gicht so schlimm, dass er nicht einmal eine Kutsche zu nehmen wagte. Amelie war dieser Umstand äußerst recht gewesen, kam sie doch auf diese Weise auch einmal unter Leute und nach langem hin und her – adäquaten Ersatz gab es in der ganzen Stadt für den gebildeten Herrn Pastor eh nicht – hatte der Graf nachgegeben. So kam es denn zu der außergewöhnlichen Prozession vom sanft ansteigenden Schlosshügel hinab in die quirlige, kleine Stadt der Grafschaft.
Die Jungs warteten mit den besten Gardisten, die der Graf aufbieten konnte, nun schon einige Minuten am ersten Schlosstor und Randolf war nicht der Einzige, der von Minute zu Minute ungeduldiger wurde.
„Möchte mal den Oberst erleben, wenn einer von uns so spät zum Appell erscheinen würde!“ flüsterte Dietbert den Anderen mit ärgerlicher Miene zu.
„Könnte sein, dass ihm vor lauter Brüllen sein Schnauzer wegfliegen würde!“ amüsierte sich Lothar köstlich bei dieser Vorstellung.
Endlich erschien Amelie in Begleitung ihrer Zofe: „Bitte, Comtesse! Nicht in diesem Mantel!“ flehte die Zofe mit ringenden Händen, während sie ihr hinterher hastete.
„Jetzt lass mich endlich in Ruhe!“ war Amelie zu hören und trat aus dem Schlossportal heraus. „Verschwinde!“
Amelie hatte sich, offensichtlich gegen den Willen ihrer Zofe, absichtlich bürgerlich gekleidet: Zuoberst trug sie einen einfachen, blauen Überwurf aus Wolle, mit einer Spange über einem grauen, schmucklosen Rupfenkleid zusammengehalten, ihre Haare hatte sie zu einem Knoten gebunden, auf Schminke, Puder und Parfüm hatte sie ganz verzichtet.
Die Zofe war fast weinend im Schloss verschwunden und Amelie gesellte sich quietschvergnügt zu den Jungs.
„Warum bist du so ...“ setzte Randolf an, „... so anders, heute?“
„Eine Art Tarnung!“ versetzte Amelie den Staunenden knapp. „Und ihr solltet auch nicht wie die italienischen Papagallos zwischen den einfachen Leuten der Stadt herumhüpfen. Zurück mit euch und normale Kleidung anziehen!“ befahl sie unerbittlich.
Randolf wollte schon zu einem Protest ansetzen, überlegte sich das dann aber noch einmal, hatte er doch gesehen, wie Amelie gerade eben erst die Zofe zusammengefaltet hatte und in die Nesseln setzen wollte er sich bei Amelie auf gar keinen Fall.
Die Jungs machten also klaglos kehrt.
Doch es verging kaum eine Minute nach dem die Jungs im Schloss verschwunden waren, um Straßenkleidung anzulegen, da kam auch schon einer der aufgeregten Kammerdiener und flehte ähnlich der Zofe: „Das kann nicht euer Ernst sein! Wenn das der Graf erfährt! Meine Berufsehre steht auf dem Spiel! Ich könnte entlassen werden! Ich bitte euch eindringlichst ...“
„Schweigt!“ befahl Amelie ungewohnt streng. „Ich weiß schon was ich tue! Oder bezweifelt Ihr das etwa?“
„Würde ich mir nie erlauben, aber ...“
„Schweigt, habe ich gesagt! Der Herr Papa wird euch nicht entlassen, dafür werde ich persönlich sorgen! Alles andere überlasst Ihr mir. Und jetzt zurück zu den Knappen und umgezogen! Die Zeit drängt! Beeilt euch!“
Amelie hatte sich äußerste Mühe geben müssen so streng mit den Bediensteten zu reden, normalerweise warf man ihr immer vor, zu kumpelhaft zu sein und sich mit den Knechten und Mägden
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