Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
zu: »Tup! Nein! Wir landen!« Tup warf den Kopf von einer Seite auf die andere, schüttelte das Zaumzeug, erhob sich dann mit einem kraftvollen Flügelschlag nach oben und flog über die Koppel hinweg, über die Mansardendächer der Stallungen und an dem schmalen Bau der Halle vorbei. »Tup!«, schrie Lark. »Was machst du?«
Als Antwort flog er einen großen Kreis, wurde langsamer und begann noch einmal mit der Grazie; diesmal legte er
sich ganz, ganz vorsichtig in die Kurve. Lark wusste, dass sie gescholten werden würde, dass noch mehr Strafarbeiten auf sie warteten, aber sie verstand, was ihr Pferd beschäftigte. Sie hatten die Übung verpatzt, und das wollte er nicht akzeptieren. Sie lockerte die Zügel, platzierte ihre Stiefel noch sicherer in den Steigbügeln und überließ sich Tups Führung.
Er änderte den Flugwinkel diesmal so sanft und vorsichtig, dass sie es kaum bemerkte. Sie hielt sich ganz leicht und sicher im Sattel, ihr Gewicht war perfekt ausbalanciert, der rechte Schenkel ruhte sicher unter der Schenkelrolle, und die Steigbügel klemmten nah am Sattelgurt. Tup flog ungefähr ein halbes Dutzend Flügelschläge in die eine Richtung, dann glich er genauso elegant und vorsichtig, wie er in die Grazie hineingeflogen war, die Flughöhe aus und begab sich in den Landeanflug.
Er landete perfekt, streckte die Vorderläufe, machte den Hals lang und kam mit den Hinterläufen geschmeidig auf dem Boden auf. Mit hoch erhobenem Kopf, gebogenem, wehendem Schweif und stolz aufgerichteten Ohren galoppierte er die Flugkoppel hinauf. Er wurde langsamer, trabte, hielt schließlich vor Meisterin Stern und Sternschnuppe an und wieherte leise, als wolle er um ein wohlverdientes Lob betteln.
»Bringen Sie Ihr Pferd in den Stall«, Larkyn«, sagte Meisterin Stern und biss dabei so fest die Zähne zusammen, dass Lark sich fragte, wie sie so überhaupt sprechen konnte. »Und dann kommen Sie zu mir ins Büro der Leiterin.«
Lark nickte. Sie sprang von Tups Rücken, tippte mit der Gerte an seine Flügelspitzen und wartete, bis er die Flügel zusammengefaltet hatte, bevor sie sich auf den Weg zu den Stallungen machte. Ihre Glieder fühlten sich schwer wie
Blei an, und all ihre Freude über den Flug und die neu gewonnene Eleganz waren schlagartig verflogen. Tup spürte ihre Stimmung und wimmerte, als sie das Tor zu seinem Stall öffnete, ihn hineinließ und abzäumte. Er stupste mit der Nase gegen ihre Schulter und ließ die Flügelspitzen durch das Stroh schleifen.
Lark rieb ihn trocken und legte ihm gegen die immer noch eiskalten Frühlingsnächte eine Decke über. Sie wollte schon den Stall verlassen, um in die Halle zu gehen, wie man es ihr befohlen hatte, doch dann drehte sie noch einmal um, warf die Arme um Tups Hals und vergrub die Wangen in seiner seidigen Mähne. »Ach Tup«, flüsterte sie. »Mein guter, braver Junge! Sie verstehen dich einfach nicht!«
Er wimmerte wieder und drehte den Hals, um mit der Nase ihre Wange zu berühren. Sie zog ihn fester an sich. »Sie denken, du gehörst ihnen. Sie rufen dich bei dem Namen, den sie für dich ausgewählt haben, und sie sagen dir, was du zu tun hast und wohin du wann zu gehen hast! Sie können einfach nicht verstehen, wie unabhängig du bist!«
Er berührte mit dem Maul ihr Ohr, und sie lachte leicht verzweifelt. »Vielleicht, Tup«, sagte sie mit bebender Stimme und streichelte ihn ein letztes Mal, »vielleicht bist du ja wirklich der Gründer einer neuen Blutlinie, einer anderen. Und Kalla hat dich zu mir geschickt, weil sie wusste, dass ich dich verstehen würde.«
Bei diesen Worten nickte Tup mit dem Kopf, und sie lachte laut auf. »Ach ja, da bist du dir ganz sicher, was? Und ich lasse es diesmal einfach durchgehen, Tup, und nehme die Bestrafung hin, als wäre es mein Fehler. Aber du und ich wissen, dass ganz allein du es warst, der uns in Schwierigkeiten gebracht hat!«
Doch sie küsste seine breite, weiche Schnauze und ließ ihm eine extra Portion Hafer da, bevor sie seufzend Stroh und Pferdehaare von ihrem Wams bürstete und über den Hof ging, um sich ihre Schelte abzuholen.
Am selben Abend, als Lark spät in den Schlafsaal kam, nachdem sie zwei Stunden lang die Sättel der Lehrerinnen mit Sattelseife eingerieben hatte, stieß sie auf Amelia, die auf sie gewartet hatte. Alle anderen Mädchen schienen bereits zu schlafen, doch Amelia saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf ihrem Bett und las mit dem Stumpen einer Kerze, den sie dicht über
Weitere Kostenlose Bücher