Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
und sein Körper gegenseitig bekämpfen. Und obwohl er Frans gegenüber abgestritten hatte, dass das Fohlen ihn Tag und Nacht beschäftigte, verdrängten sein Geruch, sein Anblick und seine Berührung alle anderen Gedanken in seinem Kopf.
Er drehte sich wieder zum Fenster um. »Hau ab, du dummes Ding! Verschwinde von hier, bevor ich es mir anders überlege. Dir wurde gerade eine Stunde recht harter Arbeit
erspart.« Er blickte über seine Schulter zu Slathan und sagte leise: »Ich bin sicher, dass Slathan netter ist, als ich es gewesen wäre, nicht wahr, Slathan?«
Slathan kicherte, schob das Mädchen aus dem Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Nach nur einem Augenblick kam er wieder zurück. »Ich habe sie fortgejagt, Durchlaucht. Ich habe auch keine Lust.«
»Armer Slathan«, erwiderte Wilhelm gelangweilt. Er lehnte am Fenster und fuhr mit der Gerte den Rahmen entlang. »Den Spaß haben im Moment wohl nur die anderen.«
»Oh nein, Durchlaucht. Ich habe meinen Spaß.«
Wilhelm drehte den Kopf und musterte die abstoßende Gestalt seines Dieners. »Ach ja? Was für ein Spaß soll das denn sein?«
Slathan grinste wieder, während er in den Taschen seines Kapuzenmantels grub. »Ich treffe Leute. Und esse gut.« Er holte ein Fläschchen und zwei schmutzige Gläser hervor. »Trinken Sie ein Glas Brandy, Durchlaucht? Ich habe ihn Paulina stibitzt, als sie nicht hingesehen hat.«
Wilhelm seufzte und wandte den Blick wieder zum Fenster. »Nein. Ich gehe zum Stall und besuche Diamant.«
Er hörte das Gluckern, als Slathan den Brandy einschenkte, dann sein Schlürfen. Bei dem Geräusch drehte sich Wilhelm der Magen um. »Sag, Slathan. Was findest du daran?«
»Wie bitte, Durchlaucht?«
»Du interessierst dich längst nicht so für die Blutlinien wie ich, und du wirst auch niemals fliegen.« Wilhelm drehte sich um und lehnte sich mit den Schultern an die Wand. »Zudem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich meine Leute zu großer Loyalität anrege«, fuhr er trocken fort.
Slathan zeigte seine gelben Zähne. »Um ehrlich zu sein, Durchlaucht, es geht um Geld und Macht. Nichts wirkt auf mich anziehender. Ich halte mich gern dort auf, wo sich die Macht befindet.«
»Dann hast du eine gute Wahl getroffen.«
»Ja. Das weiß ich.« Er nahm noch einen Schluck. »Durchlaucht«, setzte er hinzu.
Wilhelm richtete sich auf und zog die Weste glatt. »Und ich vermute stark, mein guter Slathan, dass du, wenn ich meine Macht verliere, ihr ohne eine Sekunde zu zögern folgen wirst. Was soll ich dann bloß tun, hm?«
Slathan zuckte mit den Schultern. Bei dieser Bewegung wehte eine Wolke seines stechenden Körpergeruchs über Wilhelm, dann leerte sein Handlanger das Glas mit dem Brandy. Er grinste wieder und lachte träge. »Wenn Sie Ihre Macht verlieren, Durchlaucht, ist der alte Slathan das Geringste Ihrer Probleme.«
Kapitel 38
N ach Erdlin lockerte der Winter den Griff um Oc und hinterließ regennasse Spuren auf Koppeln und Feldern um die Weiße Stadt. Tup, der ein Winterfohlen war, war nun drei Jahre alt, und Goldener Morgen und die anderen Pferde der zweiten Klasse würden bald vier werden. Der Frühling lockte das erste Grün auf den Hügeln hervor, und die mutigsten Vögel begannen in den Hecken zu zwitschern. Lark dachte mit einem wehmütigen Gefühl daran, dass es auf dem Unteren Hof jetzt Zeit wurde, den Küchengarten von abgestorbenen Zweigen und Pflanzen zu befreien und Bohnen, Salat und Kürbisse zu setzen. Doch an der Akademie war wenig Zeit, um sich mit solchen Gedanken aufzuhalten. Sie und ihre Klassenkameradinnen machten sich allmählich Sorgen, ob sie am Prüfungstag die Grazien meistern würden.
Auf Befehl von Meisterin Stern kreisten sie durch den diesigen Morgenhimmel. Von den Flügeln der Pferde spritzte die Nässe, und die Gesichter der Mädchen waren feucht. Die Grazien bestanden aus verschiedenen ballettartigen Formationen. Für die Kämpfer waren sie eine Quälerei, eine Aufgabe, die sie einfach möglichst schnell hinter sich bringen wollten. Für die Noblen wie Anabel mit Chance waren sie eine Möglichkeit, den Adel zu beeindrucken. Für die Boten jedoch, und damit auch für Tup, bedeuteten die Grazien alles.
Kuriere mussten oft an seltsame Orte reisen. Sie flogen mal über die flachen Felder von Isamar, mal über die hohen Gipfel der Ocmarine. Ihre Aufträge führten sie über das Meer oder auf private Anwesen von irgendwelchen bedeutenden Adeligen, manchmal aber auch in
Weitere Kostenlose Bücher