Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
Winter hatte sich wie eine Auszeit angefühlt, als warteten sie auf den großen Knall. Irgendwie war Philippa noch nicht bereit für den Frühling, für die Knospen und Blumen und die nistenden Vögel. Es gab zu viele ungeklärte Angelegenheiten – ihr Streit mit Wilhelm, seine Auseinandersetzung mit Frans, der immer noch schwach und krank darniederlag und nur langsam genas. Sie tippte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die
Tischplatte. »Noch ein weiterer Grund, warum ich nicht Leiterin werden sollte«, sagte sie halb zu sich. »So gern ich Fürst Friedrich gedient habe, so viele Vorbehalte hege ich gegen unseren neuen Fürsten.«
»Aber Philippa«, fuhr Kathryn fort, »auf Grundlage welchen Gesetzes sollte Fürst Wilhelm dich der Akademie verweisen können?«
»Er wirft mir vor, Irina Stark absichtlich zu Tode gebracht zu haben.«
»Das ist doch lächerlich!«
»Ja, natürlich. Aber wie du weißt, habe ich im Rat wegen des Verstoßes gegen die Zuchtrichtlinien Klage gegen Fürst Wilhelm vorgebracht.«
»Ja, ich weiß. Aber ich habe nicht gehört …«
»Philippa wollte nicht, dass die Mädchen darüber tratschen«, warf Susanna hastig ein.
»Ich bin sicher, dass Amelia Riehs das ebenfalls weiß. Ihr Vater war dort und wird es ihr erzählt haben. Nur versteht sie es, anders als ich, ihre Zunge zu hüten«, sagte Philippa.
»Also hat der Rat weder über deine Klage gegen Fürst Wilhelm entschieden noch über seine gegen dich«, stellte Kathryn nachdenklich fest.
»Ganz genau.«
»Das ist doch schon Monate her. Wie können sie eine derartig wichtige Entscheidung so lange aufschieben?«, fragte Kathryn weiter.
»Ganz einfach. Weil Fürst Wilhelm die gesamte Zeit über nicht mehr vor den Rat der Edlen getreten ist«, erwiderte Philippa ausdruckslos.
»Wo ist er denn gewesen?«
»Ich glaube, er hält sich in Fleckham auf. Genauer gesagt, in dem kleinen Stall, den er heimlich auf dem Anwesen erbaut
hat. Dort haben er und Jinson offensichtlich das geflügelte Fohlen gezüchtet«, erwiderte Philippa.
»Diamant«, sagte Susanna.
»Diamant?«
»Ich habe gehört, dass er es so nennt. Es hat nur einen Namen.«
»Wie die Ahnen«, sagte Philippa finster. »Er meint es wirklich ernst mit der neuen Blutlinie.«
»Kann er das tun? Wird es ihm gelingen, geflügelte Pferde zu züchten, auf denen Männer reiten können?«, erkundigte sich Kathryn leise.
Philippa schüttelte den Kopf. »Nur, wenn er genügend Männer findet, die bereit sind, dieses Mittel einzunehmen. Sie müssen es auf sich nehmen, sich sozusagen in Frauen zu verwandeln, wenn sie das erreichen wollen.«
»Aber er hasst Frauen«, erklärte Susanna.
Überrascht fragte Philippa: »Kennst du den Fürsten denn, Susanna?«
»Als ich jung war, damals, als ich gebunden wurde, hat er versucht …« Susanna senkte den Blick und sah weg. »Ich spreche nur sehr ungern darüber.«
»Zumindest konntest du dich wehren.« Philippas Stimme klang sanft von Mitgefühl. »Es gibt einige, die nicht so stark waren.«
»Ich hatte Glück. Er hat versucht, mich zu vergewaltigen, aber er wurde gestört«, erklärte Susanna.
»Laut Aussage von Geraldina Prinz war er bei ihr erfolgreich.«
»Davon habe ich gehört. Damals wusste ich ebenfalls nicht, was ich tun sollte. Meine Familie hat mir befohlen, es für mich zu behalten. Wilhelm hat sie bedroht.«
»Geraldinas Familie hat teuer für ihre Klage bezahlt«, erklärte
Philippa. »Ich glaube, der Fürst hat einen Teil ihres Anwesens in Winkels beschlagnahmt.«
Kathryn Tänzer hatte all dem kopfschüttelnd zugehört. »Und jetzt gibt es dieses Gerücht, dass er etwas mit dem Verschwinden von Prinzessin Pamella zu tun hätte.«
Philippa wurde stocksteif und blickte Kathryn an. »Was für ein Gerücht ist das?«
»Ich habe gehört, wie Erna mit Herbert darüber gesprochen hat«, sagte Kathryn. »Die Dienerschaft erzählt sich, dass Pamella irgendwo weit weg von Oscham lebt und dass …« Sie brach ab. »Es ist nur Gerede. Ich sollte das gar nicht wiederholen.«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Philippa knapp. Kathryn wurde rot, und Philippa fügte hastig hinzu: »Es tut mir leid, Kathryn. Jetzt ist es mir schon wieder passiert. Wir haben nur einfach schon genug Probleme mit Wilhelm – dem Fürsten, meine ich. Dass er durch seine Spione erfährt, welche Gerüchte an der Akademie über ihn verbreitet werden, hat uns gerade noch gefehlt.«
Sie schwiegen eine Weile und dachten nach. Schließlich kam Philippa zu dem
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