Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
hatte sich jedoch früh entschuldigt und war zu Bett gegangen. Wie üblich war er heute Morgen früh aufgestanden, um eine Stunde auf seinem eigenen Wallach, einem Falben, zu reiten. Die Birken und der Weinahorn hatten bereits die letzten Blätter verloren. In der Ferne waren die Bergspitzen mit Schnee bedeckt, und die kahlen Äste ragten in den Himmel, als hätte jemand mit dunkler Tinte etwas quer über das Firmament geschrieben.
Frans diente als Abgesandter mit den zweiten und dritten Söhnen anderer Fürstentümer von Isamar seit drei Jahren am Palast des Prinzen. Manchen erschien das besser, als sich zu Hause von ihren älteren Brüdern herumkommandieren
zu lassen, doch Frans litt unter der Künstlichkeit und den Ausschweifungen des Prinzenpalastes. Seine Liebe zu Büchern bezog sich zwar nicht auf Geschäftsbücher, doch er tat sein Bestes, die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen. Oft stellte er sich vor, er wäre einfach nur ein Edler des Rates. Dann hätte er in Oc eine große Bibliothek gegründet, die es mit der von Isamar hätte aufnehmen können. Anders als andere junge Edelmänner hatte er Wilhelm nie um seine Position beneidet. Er hatte nicht den Wunsch, im Fürstenpalast zu leben oder zu regieren. Eigentlich wünschte er sich, in eine bürgerliche Familie hineingeboren worden zu sein und sich frei für einen Weg entscheiden zu können.
Nun schob er solche Gedanken beiseite. An seiner Herkunft konnte er nichts ändern. Vielleicht hätte sein Vater eine andere Laufbahn für ihn bestimmen können, wenn er ihn darum gebeten hätte, doch Friedrich war viel zu früh gestorben. Und jetzt musste Frans wie jeder andere Bewohner von Oc den Anordnungen seines Bruders gehorchen. Wilhelm hatte deutlich gemacht, dass er von seinem Bruder erwartete, er möge in Isamar bleiben und als Verbindung zum Prinzen fungieren.
Die Köche hatten den Prinzen durch die Fenster der riesigen Küche nahen sehen, und als Frans hinter Nicolas in das Frühstückszimmer trat, war der Tisch bereits mit silbernem Kaffeegeschirr eingedeckt. Über den Tellern standen silberne Hauben, unter denen wohlriechender Dampf hervorquoll. Der Prinz ließ sich mit einem Seufzer auf einen stabilen Stuhl fallen und bedeutete Frans, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
»Essen Sie, Frans!«, sagte er jovial. »Sie müssen ein bisschen Fleisch auf die Rippen kriegen.«
Frans setzte sich, nahm eine Tasse Kaffee und lachte entschuldigend. »Ich dachte, Sie hätten es inzwischen aufgegeben, mich zu mästen, Hoheit«, sagte er. »Mein edler Bruder und ich haben beide diese langen Knochen, die sich jedem unserer Versuche, sie zu polstern, widersetzen.«
»Sie Glückspilz«, erwiderte Nicolas, der bereits ein großes Stück Speck im Mund hatte. »Aber ich würde neben Ihnen besser aussehen, wenn Sie nicht so dürr wären.«
Frans nahm sich eine kleine Scheibe Speck, ein gekochtes Ei und eine Portion gekochte Blutrüben in Butter. »Die könnten von Ocs Feldern stammen«, stellte er fest, spießte ein Stück Blutrübe auf und hielt sie hoch, damit Nicolas sie sehen konnte. »Aus dem Hochland.«
Nicolas rümpfte die fleischige Nase und winkte ab. »Ich kann diese Dinger nicht ausstehen. Reichen Sie mir Brot und Speck. Danke.«
Die Ankunft zweier junger Edelmänner erlöste Frans davon, weitere Konversation betreiben zu müssen. Frans aß sein Frühstück und ließ die Männer reden. Dann ging er mit seiner Kaffeetasse zu einem der hohen Fenster mit den vielen Scheiben, durch die man die Stadt Arlhen betrachten konnte.
Anders als Oscham war Arlhen eine farbenfrohe Stadt. Seine Bauherren hatten schwarze Steine aus Ocs Hochland verwendet, grauen Granit aus dem Ostreich und rosa Marmor aus Mittelbergen. Die Stadt erstreckte sich entlang des Flusses mit Namen Arl, und der Palast war von breiten Straßen umgeben, die in verschlungenen Wegen und Terrassengärten endeten. Das Fest am Vorabend hatte mit einer Vorführung der geflügelten Pferde von Oc begonnen. Sie waren über die Parkanlagen und Plätze hinweggeflogen und über den rosafarbenen und grauen Türmen des Palastes
gekreist. Nicolas war so stolz gewesen, als gehörten die Pferdemeisterinnen ihm. Dem war jedoch ganz und gar nicht so. Frans hielt es nicht für nötig, es zu erwähnen, weil alle wussten, dass die geflügelten Pferde nicht Isamars, sondern Ocs ganzer Stolz waren und dass Prinz Nicolas für ihre Dienste mit Steuern aus dem Bankwesen und der Schifffahrt bezahlte, für die Isamar berühmt
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