Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
Morghen suchte auch sie den Himmel mit den Augen ab, in der Hoffnung, ein geflügeltes Pferd werde zurückkehren und über den Türmen der Weißen Stadt erscheinen. Doch es gab kein Zeichen von Wintersonne.
Als Meisterin Morghen die Mädchen kommen hörte, drehte sie sich um und begrüßte sie. Lark erkannte die Sorge und die Angst in ihren Augen, die seit der Abreise von Meisterin Winter nach Onmarin und in das Wildland auch in ihr selbst immer stärker gewachsen war. Das Amulett auf ihrer Brust schien durch das Wams hindurch zu brennen, und sie hielt ängstlich Ausschau, ob Fürst Wilhelms brauner Wallach irgendwo auf dem Akademiegelände stand. Erleichtert sah sie, dass nur die Kutsche von Baronin Beeht die Auffahrt hinaufrollte.
Hester küsste ihre Mutter und ließ sie und Amelia allein mit Meisterin Morghen in die Halle gehen. Sie selbst schlenderte mit Lark über den Hof zu den Ställen, wo Meisterin Stern auf sie wartete. »Magst du Amelia nicht, Hester?«, fragte Lark leise.
Hester sah ihr nicht in die Augen, als sie erwiderte: »Das ist keine Frage von Zuneigung. Es ist eine Frage des Vertrauens.«
»Vertraust du ihr denn nicht?«
»Oc hat eine Menge Gründe, Kleeh nicht zu trauen. Und Amelia Riehs ist eine Kleeh.«
»Aber … Baron Riehs versucht, Lissih und Peter zu retten!«
Sie waren an Goldies Stall angelangt, und Hester blieb
stehen. »Schwarz, der Baron ist ein Politiker, und Amelia ist die Tochter eines Politikers.«
Lark grinste. »Genau wie du, Morgen.«
Hester lachte und zuckte mit den Schultern. »Ja. Und eben deshalb habe ich meine Vorbehalte.«
»Prinz Frans vertraut dem Baron.«
»Prinz Frans ist aber kein Politiker. Und ich fürchte, er ist außerdem ziemlich naiv.«
»Glaubst du denn nicht, dass der Baron die Kinder ernsthaft suchen will? Dass er wirklich will, dass seine Tochter an ein geflügeltes Pferd gebunden wird?«
»Ich glaube, dass es vor allem nützlich für ihn ist.« Lark schüttelte den Kopf. »Du hättest Amelia gestern mit Tup sehen sollen. Sie … sie wirkte das erste Mal, seit sie hergekommen ist, irgendwie lebendig. Ich glaube, dass zumindest sie aufrichtig ist.«
»Vielleicht.« Hester öffnete das Tor zum Stall von Goldener Morgen und ging hinein. Sie nahm ein Halfter vom Haken und drehte sich um. »Frag mich noch einmal nach den Riehs, wenn Meisterin Winter gesund und munter wieder hier ist, Schwarz.«
Als Hester sich ihrem Pferd zuwandte, starrte Lark auf ihren Rücken. Eine kalte Faust schien ihr Herz zu umklammern. Sie spürte, dass Hester sich genauso große Sorgen um Meisterin Winter machte wie sie selbst.
Sie fröstelte und lief dann rasch durch den Gang zu Tups Stall.
Auch am Abend gab es immer noch kein Lebenszeichen von Meisterin Winter. Amelia Riehs hatte den Großteil des Tages im Büro der Leiterin verbracht. Die frühe winterliche Dunkelheit senkte sich auf das Akademiegelände herab,
und die Mädchen legten Decken über ihre Pferde und gaben zusätzliches Stroh in die Ställe. Hester war mit Goldie fertig und bat Lark, sich zu beeilen.
Lark versprach es. Als sie vor den Stall trat, um Beere zu rufen, glitzerten gerade die ersten Sterne am nächtlichen Himmel.
Auf ihren Ruf hin trat Herbert aus der Sattelkammer. »Wozu brauchen Sie den Oc-Hund, Meisterin?«, erkundigte er sich schroff. »Ihr kleiner Schwarzer braucht seine Gesellschaft mit Sicherheit schon lange nicht mehr.«
Lark biss sich auf die Lippe. Sie mochte Herbert und wusste, dass er Rosella genauso sehr vermisste wie sie. Doch trotz der Ereignisse im vergangenen Jahr hatte sie Angst, ihm von ihrer Sorge wegen Fürst Wilhelm zu berichten. Selbst die Wände schienen hier Ohren zu haben. »Ich …«, hob sie an, zögerte jedoch. Doch in dem Moment tauchte Beere auf und rettete sie. Der Hund schob den schmalen Kopf unter Larks Hand und wedelte mit dem buschigen Schwanz.
Herberts runzeliges Gesicht legte sich in tiefe Falten. »Ihr kleiner Hengst braucht keinen Beschützer. Will sagen, jeder, der versucht, heimlich in diese Stallungen einzudringen … Ich werde das nicht noch einmal zulassen, Meisterin Hammloh.«
»Es war ja nicht Ihr Fehler, Herbert!«, erwiderte Lark hastig. »Und ich weiß, dass Sie, ich meine … ach, Herbert, ich schlafe einfach besser, wenn ich weiß, dass Beere bei Tup ist.«
Herbert dachte einen Augenblick nach und rieb sich mit dem Finger die Nase. Schließlich seufzte er und sagte: »Gut, vermutlich ist es auch nicht so schlimm. Bis die
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