Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
Gesicht des Mädchens aus Kleeh bemerkt. Amelias Blick war ganz weich geworden, und sie hatte staunend zugesehen, wie Tup seine Nase in Larks Hand geschoben und mit den glänzenden Flügeln geraschelt hatte. Sie war dabei geblieben, als Lark ihn gefüttert, gebürstet und seine Hufe poliert hatte. Auch ihre Stimme klang weicher, wenn sie mit ihm sprach.
Jetzt gingen sie in den Stall, und Amelia hielt sich zurück, um Lark zuerst zu Tup zu lassen. Lark lächelte sie über die Schulter hinweg an. »Er mag Sie, Amelia. Sie können ihn gern streicheln, wenn Sie mögen.«
Amelia lächelte; dieses Lächeln verschönte ihr schmales Gesicht irgendwie. Ohne Furcht, aber auch ohne eine hastige Bewegung zu machen, trat sie vor und legte eine Hand auf Tups glänzenden Hals. »Du wunderschönes Wesen. Ich habe nie etwas Schöneres als dich gesehen«, sagte sie. Er drehte die Ohren in ihre Richtung und schnaubte.
Lark kicherte. »Tup hat etwas übrig für Komplimente.«
Amelia ließ die Hand über Tups muskulösen Hals und über das Gelenk seiner Flügel gleiten und strich durch seine seidige Mähne. »Es ist ein Wunder«, erklärte sie mit leicht belegter Stimme.
»Kallas Wunder«, erwiderte Lark und kippte Getreide in Tups Futtereimer.
»Natürlich, aber ich meinte eigentlich, es ist ein Wunder, dass ich hier bin. Dass eines dieser prächtigen Pferde eines Tages an mich gebunden werden soll.«
»Das war es für mich auch«, erklärte Lark.
Amelia drehte sich zu ihr um, ihre Miene wirkte wieder ungerührt. »Ja?«
»Oh ja«, versicherte Lark. Sie öffnete das Stalltor und hielt es für Amelia auf. »Es war niemals geplant, dass ich an ein geflügeltes Pferd gebunden werden sollte. Deshalb hasst mich der Fürst so.«
»Er hasst Sie?«
»Ja, das tut er, und wie.« Lark rief nach Beere und ließ ihn in den Stall.
Amelia sah diesem Ritual erstaunt zu. »Lassen Sie immer einen Oc-Hund bei ihm im Stall? Die anderen geflügelten Pferde haben keinen.«
»Nein, sie haben das nicht mehr. Sie hatten es, als sie noch Fohlen waren. Wenn die Pferde noch klein sind, leisten ihnen die Oc-Hunde Gesellschaft.«
»Aber Seraph hat doch diese süße kleine Ziege bei sich.«
»Ja.« Lark zuckte mit den Schultern. »Ich habe einfach ein besseres Gefühl, wenn Beere auch noch da ist.«
Amelia sagte nichts dazu. Lark führte sie aus den Ställen hinaus und über den Hof. »In den Augen von Fürst Wilhelm war es jedenfalls ein Fehler, dass ich an das Pferd gebunden wurde.«
»Aber nicht in Ihren«, stellte Amelia fest.
Lark fuhr sich durch die kurzen Locken und entfernte Stroh und Pferdehaare. »Tup ist nicht durch Zufall zu mir gekommen. Ich glaube, dass die Pferdegöttin seine Mutter
zu mir auf den Unteren Hof geschickt hat, die süßeste kleine Stute, die Sie sich überhaupt vorstellen können. Wir wussten nicht, dass sie trächtig war, und haben uns um sie gekümmert, als sie beinahe verhungert wäre. Tup war Kallas Geschenk für mich. Deshalb trage ich auch das hier.« Sie zog den Anhänger von Kalla an dem Band hervor und hielt ihn Amelia hin. Als sie in den Schlafsaal gingen, um sich für das Abendessen umzuziehen, sagte sie: »Bevor er geboren wurde, hatte ich noch niemals ein geflügeltes Pferd gesehen. Und danach habe ich gut zwei Wochen im Stall geschlafen!«
»Natürlich. Das hätte ich ganz genauso getan«, erwiderte Amelia.
Am Morgen begleiteten Lark und Hester Amelia zum Büro der Leiterin. Hesters Mamá wollte die Tochter des Barons von Kleeh kennenlernen. Hester und Amelia hatten bis jetzt noch nicht miteinander gesprochen. Sie hielten einen gewissen Abstand zueinander und behandelten sich mit höflicher Gleichgültigkeit, was Lark irgendwie verwirrte. So wie die beiden aufgewachsen waren, mussten sie doch einiges gemeinsam haben. Lark glaubte nicht, dass Hester neidisch war, aber ihre Freundin war Amelia gegenüber offensichtlich zurückhaltend, als ob sie ihr nichts von sich zeigen wollte.
Die Mädchen trafen die Leiterin auf den Stufen zur Halle. Sie stand da, hatte die Hand auf die Stirn gelegt und starrte nach Norden. Über Nacht hatte es geschneit, so dass die Koppeln und die Hecken von einer dünnen, weißen Schicht überzogen waren. Die Luft war so kalt, dass sie in den Lungen biss.
Abwesend sagte Lark: »Der Winter hat scharfe Zähne.«
Amelia blickte sie mit ihren kühlen Augen an. »Ist das auch ein Ausdruck aus dem Hochland?«
Lark nickte und erwiderte gedankenverloren: »Oh ja.«
Wie Meisterin
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