Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
sie ein, und sie sah, wie Mahagoni die Nüstern weitete. Offenbar war er genauso irritiert wie sie. Sie richtete den Blick in die Richtung, in der sie das Meer vermutete, und entdeckte hier und dort zwischen den schiefen Mauern und schäbigen Kaminen eine grüne Ecke.
Schließlich schlichen die drei durch eine überaus stinkende Gasse und standen plötzlich an den Hafenanlagen. Eine Promenade erstreckte sich nach Norden und Süden und führte um das innere Hafenbecken herum. An den schmalen Holzstegen waren an großen Eisenringen Boote jeder Größe und Farbe vertäut. Die meisten schienen leer zu sein, die Segel waren eingerollt, Seile, Netze und Fässer verstaut. Auf einem oder zweien waren Männer an Deck beschäftigt, doch sie machten keine Anstalten, sich in die Bucht hinauszuwagen.
Amelia blickte hinaus auf das Wasser und sah die Marinan , die mit den blauen Flaggen am Hauptmast friedlich in der Morgensonne schaukelte. Es gab keine Anzeichen, dass ein
Krieg bevorstand. »Bist du sicher, dass sie heute gesagt haben?«, fragte sie Jimmieh.
»Oh, ja«, entgegnete er. »Heute. Die Kleehs haben Lust auf einen Kampf, heißt es.«
Amelia wandte sich zu ihm um. »Ist dir klar, dass es dabei um mich geht, Jimmieh?«
Er sah sie an, öffnete die Lippen und runzelte die Stirn. Er wollte etwas sagen, zögerte und meinte dann: »Nein, Mistress, es geht nicht um Sie.«
»Doch, ich fürchte schon, Jimmieh.«
Er starrte sie an, ohne dass sich irgendein Verstehen in seinen Augen gezeigt hätte.
»Hast du dich nicht gewundert, warum ich mich mit einem Geflügelten Pferd in einem Kutschhaus verstecke?«
»Ja, das heißt, nein. Eigentlich nicht. Ich habe mich ja auch versteckt, also …« Er verstummte und kratzte seinen struppigen braunen Schopf. »Aber jetzt, wo Sie es sagen … wozu brauchen Sie eigentlich ein Boot, Sie und das Pferd?«
Amelia holte Luft und erklärte dann so freundlich wie möglich: »Ich bin Amelia Riehs, Jimmieh. Ich werde eine Pferdemeisterin von Oc, aber ich wurde in Kleeh geboren.«
»Kleeh?«, wiederholte er.
Amelia unterdrückte ihre Verärgerung über seine Dummheit und sagte freundlich: »Fürst Wilhelm hat mich als Geisel festgehalten. Deshalb brauche ich ein Boot. Wenn ich rechtzeitig die Marinan erreiche – das Schiff meines Vaters -, wird es nicht zum Krieg kommen.«
Er senkte den Kopf und dachte darüber nach. Amelia wartete und biss sich ungeduldig auf die Lippe. Als er wieder aufsah, fragte er: »Und was ist mit den zusätzlichen Steuern? Verschwinden die dann auch?«
»Darüber weiß ich nichts, Jimmieh. Möglicherweise. Ich weiß nur, dass die Marinan meinetwegen dort im Hafen liegt, und wenn mein Vater erkennt, dass ich in Sicherheit bin, wird er sich zurückziehen.«
Er nickte bedächtig, und schließlich hellte sich sein Gesicht etwas auf. »Und ich kann nach Hause«, erklärte er zufrieden.
Amelia war nicht ganz sicher, ob das stimmte, doch sie beließ es dabei und sagte lediglich: »Welches Boot gehört deinem Onkel?«
Als wären all seine Sorgen mit einem Schlag verflogen, deutete Jimmieh grinsend auf ein Boot. »Das da! Mit dem aufgemalten Widderkopf am vorderen Ende.«
»Am Bug«, korrigierte Amelia zerstreut, während sie die Liegeplätze betrachtete, um herauszufinden, welches Boot er meinte.
»Ach ja? Kennen Sie sich mit Booten aus?«
»Ich kenne mich mit Schiffen aus«, erwiderte sie. »Nicht mit Fischerbooten. Ich bin mit der Marinan nach Oc gekommen.« Sie hob Mahagonis Leine und bedeutete Jimmieh, vor ihr herzugehen. »Komm, Jimmieh, stell mich ihm bitte vor, ja? Und wenn ich ihn überzeugen kann, mich zum Schiff zu bringen, kannst du nach Hause zu deiner Mutter.«
»Was ist mit Ihrem Geflügelten Pferd?«, fragte er.
Sie sah ihn überrascht an. »Mahagoni bleibt natürlich bei mir. Weißt du das denn nicht?«
»Was?«
»Geflügelte Pferde bleiben für immer bei den Reiterinnen, an die sie gebunden wurden«, erklärte sie. »Wenn sie mehr als ein oder zwei Tage von ihnen getrennt sind, werden sie verrückt.«
Er riss die Augen auf und trat einen Schritt zurück, als hätte er Angst, dass Mahagoni auf der Stelle verrückt werden könnte. »Kommen Sie«, sagte er. »Sehen wir, ob er Sie mitnimmt.« Er lief los und blieb abrupt stehen. »Haben Sie irgendwie Geld bei sich, Mistress? Mein Onkel Winnih ist immer scharf darauf, Geld zu verdienen.«
Amelia hatte sich darüber auf dem Weg Gedanken gemacht. »Du meinst also«, erkundigte sie sich, »es reicht
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