Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
die Stiefel sicher in die Steigbügel, und im nächsten Moment waren sie auf und davon …
Wie sich herausstellte, konnte sie den Palast des Prinzen gar nicht verfehlen. Mit seinen vielfarbigen Kuppeln, Türmen und Gebäuden beherrschte er die Stadt. Seine Erbauer hatten alle möglichen Materialen verarbeitet – schwarze Steine aus den Steinbrüchen des Hochlandes, grauer Granit, der per Schiff aus dem Ostreich herbeigeschafft worden war, und aus Mittelbergen hatte man sogar rosafarbenen Marmor herangekarrt.
Zu beiden Seiten des Stromes Arl breiteten sich die Straßen und Plätze aus. Die rosagrauen Türme des Palastes überragten die Stadt und waren von sorgfältig gepflegten Parks und Wiesen und einem großen runden Hof umgeben. Nach Westen hin erstreckten sich lange, flache Stallgebäude. Als Lark und Tup näher kamen, hob sich hinter den Stallungen ein Geflügeltes Pferd in die Luft und flog nach Südosten.
»Hast du das gesehen, Tup?«, rief Lark. Als er sich in eine Rechtskurve legte und mit dem Landeanflug begann, spürte sie neue Kraft in seinem Körper. Sie flogen eine erste
Runde und begutachteten das Gelände. Die Türme des Palastes waren noch höher, als Lark gedacht hatte. Die kleinen Fenster darin befanden sich in schwindelerregender Höhe. Als Tup daran vorbeiflog, blitzte in ihnen kurz sein Spiegelbild auf; er sah aus wie ein Vogel mit tiefschwarzen Flügeln. Nach einer weiteren Runde flog er auf eine makellos grüne, ebenmäßige Koppel zu.
Lark gab sich besonders viel Mühe, drückte die Fersen in den Steigbügeln tief nach unten, lockerte Tups Zügel und machte den Rücken gerade. Schließlich war es möglich, dass jemand sie von den eleganten Stallungen oder einem der Fenster aus beobachtete. »Wir wollen eine perfekte Landung hinlegen, Tup!«, rief sie.
Sie spürte, wie er sein Rückgrat durchdrückte, als er die Hinterläufe anzog und die Vorderläufe nach vorne streckte. Er landete leichtfüßig wie ein Vogel und flatterte keck mit den Flügeln, während er die Koppel hinaufgaloppierte. Als er langsamer wurde und zum Trab wechselte, tänzelte er seitwärts und bog seinen Schweif nach oben.
»Angeber!«, lachte sie. »Selbst nach diesem langen Flug noch?«
Daraufhin schüttelte er den Kopf, und einen Augenblick später waren sie am Gatter der Koppel angelangt. Lark stieg würdevoll vom Pferd und hob ihr Bein über den Hinterzwiesel, anstatt es wie gewohnt über den Vorderzwiesel zu werfen. Sie berührte Tups Flügelspitzen, woraufhin er sie zügig Rippe für Rippe zusammenfaltete, bis sie ordentlich längs über den Steigbügeln lagen. Lark zog ihr Wams glatt, richtete ihre Kappe und fuhr kurz mit den Fingern durch ihre Locken. Dann öffnete sie mit einem tiefen Atemzug das Gatter und ging auf die Stallungen zu.
Als sie näher kam, trat ein grauhaariges Stallmädchen aus
dem Eingang zum Stall. Sie blieb kurz vor Lark stehen und starrte demonstrativ auf ihren Kragen. »Wer sind Sie denn?«, fragte sie. »Jedenfalls keine Pferdemeisterin, wie ich sehe. Sie haben keine Flügel.«
Lark hob trotzig den Kopf und blickte der Frau direkt in die Augen. Sie waren ebenso grau wie ihre Haare und erwiderten kühl ihren Blick. »Nein«, sagte Lark. »Aber bald.«
Die Frau schnaubte verächtlich. »Wie dem auch sei.« Sie warf einen neugierigen Blick auf Tup. »Und wer ist das?«
»Das ist Schwarzer Seraph.« Als er seinen Namen hörte, bog er den Hals nach oben und schnaubte vernehmlich. »Ich bin Larkyn Hammloh und besuche die dritte Klasse der Akademie.«
»Ach ja?« Die Frau trat ein Stück zurück und musterte Tup. »Ein hübscher kleiner Hengst«, sagte sie, und ihre Stimme klang ein wenig freundlicher.
»Ja«, stimmte Lark zu. »Das ist er. Und wie heißen Sie?«
»Ich bin Sally«, antwortete das Stallmädchen. »Was haben Sie denn vor, Mistress Hammloh? Ich sehe keine Botentasche an Ihrem Gürtel.«
»Nein«, gab Lark zu. »Ich muss Baron Riehs von Kleeh finden.«
»Nun, da kann ich Ihnen nicht helfen. Aber Sie können mir Ihren Schwarzen Seraph hier anvertrauen. Ich werde ihn abkühlen und trockenreiben.«
Lark überließ ihr die Zügel. »Danke, Sally. Ich weiß das zu schätzen.« Sie blickte nach oben und an Sallys Schulter vorbei. Der Hof war riesig, bestimmt viermal so groß wie der der Akademie. Am hinteren Ende führten breite Marmorstufen zu einem Portal mit den größten Türen, die sie jemals gesehen hatte. Sie kam sich ein bisschen wie eine Feldmaus vor, die von der
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