Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
Stall vorbei zu dem Wäldchen dahinter. »Ich weiß, dass Sie Meisterin Winter vertrieben haben«, sagte sie so beiläufig wie möglich. Sie konnte sehr wohl problemlos und ohne mit der Wimper zu zucken lügen. Doch ihr Vater hatte ihr beigebracht, dass es wenn möglich besser war, ein Thema elegant zu umschiffen, als geradeheraus zu lügen.
»Sie ist eine Landesverräterin!«, fuhr er hoch.
»Sie ist eine Pferdemeisterin von Oc«, sagte Amelia.
»Nicht mehr lange«, zischte er. »Nicht mehr lange.«
Amelia hatte Jinson bereits einmal gesehen, als er mit Meisterin Stern an der Akademie die Genealogie studiert und Mahagonis Namen bestimmt hatte. Sie war überrascht, dass er es war, der sie verschämt und mit hängenden Schultern vor dem Stall empfing.
»Herrgott, reiß dich zusammen, Kerl! Du siehst ja aus wie ein schmollendes Kind«, herrschte Fürst Wilhelm ihn an.
Jinson hielt die Stalltür weit auf, trat zur Seite und mied es, Amelia in die Augen zu blicken. Mit einer Hand an Mahagonis Backenriemen machte sie einen Schritt nach vorn.
Das Fohlen schnaubte, als es in die Nähe des Fürsten kam, und wich so heftig zurück, dass es dabei Amelia das Halfter aus der Hand riss.
»Mahagoni!«, sagte sie.
Der Fürst trat zwischen sie und das Fohlen. Er hob die Gerte. »Mahagoni, bist du dumm oder bloß dickköpfig?«, fragte er.
»Durchlaucht«, sagte Amelia hastig, als der Fürst noch dichter an das Fohlen heranging. »Bitte, er wird Sie nicht an sich heranlassen …«
»Oh doch, das wird er«, stieß Wilhelm zwischen den Zähnen hervor. »Diamant tut es doch auch. Wieso sollte Ihr kleiner Idiot nicht genauso zugänglich sein?« Er machte einen weiteren Schritt nach vorn. Mahagoni bäumte sich auf und wich beinahe panisch zurück. Seine Sprunggelenke berührten fast den Boden, und sein Schweif schleifte durch den Dreck.
Amelia stürmte vor. Der Fürst sah sie aus dem Augenwinkel kommen und wirbelte herum. Amelias Blick war auf Mahagoni gerichtet und sie begriff erst, was er vorhatte, als es schon zu spät war. Diesmal schlug er sie so hemmungslos, wie er den Oc-Hund verprügelt hatte. Er erwischte sie mit seiner Gerte an der Schulter. Sie schrie auf und zuckte zusammen. Beere sprang mit einem lauten Bellen nach vorn. Mahagoni wieherte und galoppierte ungelenk um sie herum.
Amelia richtete sich auf und schämte sich, weil sie die
Haltung verloren hatte. Sie sah dem Fürsten in die Augen. Sein Gesicht war wutverzerrt und er hob erneut die Gerte, doch diesmal blieb sie standhaft. Sie hob den Kopf und starrte ihn an. Er beugte den Arm, und Amelia nahm alle Kraft zusammen.
Der zweite Schlag blieb aus. Der Fürst lächelte seltsam, wobei er fast noch verrückter wirkte als in seinem wütendem Zustand einen Augenblick zuvor. Beere sträubte die Nackenhaare und hatte den Schwanz steil aufgerichtet. Mahagoni tänzelte in sicherem Abstand um sie herum, wieherte, legte die Ohren an, stellte sie wieder auf und legte sie erneut an.
»Aber, aber, Riehs«, sagte Wilhelm leichthin. »Das muss doch alles nicht sein. Sie sind mir nützlicher, wenn Sie unversehrt bleiben. Gehen Sie in den Stall. Jinson kümmert sich um alles, was Sie brauchen und weist Ihrem Fohlen eine Stallbox zu. Es ist wirklich schade, dass es nicht ein bisschen intelligenter ist, aber darum werde ich mich kümmern. Ein, zwei gründliche Lektionen werden seinem Charakter zweifellos guttun.«
Amelias Herz schlug heftig, und nun wurde sie wütend. »Sie werden ihn nicht anrühren«, erklärte sie mit fester Stimme. »Da müssen Sie erst an mir vorbei.«
Ihre Worte quittierte der Fürst mit lautem Lachen. »Aber gern«, sagte er. »Das heben wir uns allerdings für später auf.« Er wandte sich aprupt ab und kehrte ihr den Rücken zu. »Jinson, hast du die Stute geholt?«
»Ja, Durchlaucht.«
»Gut. Sehr gut. Pass auf sie auf, Jinson!«, befahl er. »Und sorge dafür, dass man sie nicht sieht.« Während er ohne ein weiteres Wort davonging, ließ er gereizt die Gerte durch die Luft zischen.
Sobald der Fürst weg war, trabte Mahagoni zu Amelia. Mit einer Hand hielt sie das Halfter, die andere vergrub sie in Beeres langem Fell. Ihre Beine zitterten vor Wut und Angst. »Sie sind also mein Gefängniswärter?«, fragte sie Jinson.
»Ich werde Sie gut versorgen«, sagte er entschuldigend. »Sie und Ihr Fohlen.«
»Ohne Stallmädchen?«
»Ich meinte … ich will sagen, dass Sie etwas zu essen bekommen, einen Schlafplatz und …«
»Ach. Und das ist
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