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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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geschah, und sie am liebsten ihren ganzen Körper seinen Küssen dargeboten hätte. Und da nahm er sie in seine starken Arme und trug sie zu seinem warmen Bett. Und danach war alles einfach himmlisch – bis es auf einmal höllisch schmerzte und ihr die Warnung der Nonnen durch den Sinn fuhr und sie dachte, dass die ja doch recht gehabt hatten. Schluchzend und mit Tränen in den Augen machte sie sich von ihm los, schlüpfte hastig in ihre Kleider und rannte davon, ohne hören zu wollen, was er ihr hinterherrief: Dolors! Beim ersten Mal ist das normal, Dolors, das wird nicht wieder vorkommen, keine Angst! Dolors, beruhige dich doch, mein Schatz!
    Gerade ist Leonor nach Hause gekommen. Jetzt wird sie ihr das mit Sandras Taille sagen, natürlich mit Gebärden, anders kann sie sich ja nicht verständlich machen. Doch als ihre Tochter das Wohnzimmer betritt, merkt sie, dass Leonor völlig verheulte Augen hat. Tatsächlich, ihre Jüngste weint. Dolors erschrickt. Ihre Tochter mag zwar eine zimperliche dumme Gans sein, aber eine Heulsuse ist sie nicht, und wenn ihr jetzt Tränen in den Augen stehen, dann hat das einen triftigen Grund. Schnell legt Dolors ihr Strickzeug beiseite und schaut ihre Jüngste dann fragend an – worauf Leonor in heftiges Schluchzen ausbricht. Nichtwissend, was sie tun soll, versucht Dolors, sich aus ihrem Sessel zu erheben, um sie in den Arm zu nehmen, doch als Leonor das sieht, hält sie sie zurück, setzt sich neben ihre Mutter auf einen Stuhl und schluckt ein paarmal.
    »Ich   … ich bin befördert worden. Ich   … ich bin jetzt Abteilungsleiterin.«
    Aufschluchzend schlägt sie die Hände vors Gesicht. Dolors versteht nun wirklich nur noch Bahnhof. Weint Leonor etwa vor Freude? Danach sieht es eigentlich nicht aus   … Leonor wischt sich die Tränen ab und senkt den Kopf.
    »Ich habe etwas Furchtbares getan, Mama. Etwas wirklich Furchtbares. Nur deshalb bin ich befördert worden.«
    Jesus, Maria und Josef, was hat sie angestellt? Hat sie gestohlen? Jemanden umgebracht? Schwerfällig steht Leonor auf und geht zum Couchtisch, und während sie ein Papiertaschentuch aus der Kleenex-Packung zieht, rückt sie schluchzend und stammelnd mit der Sprache raus.
    »Mein Chef   … mein Chef ist schon eine ganze Zeitlang   … hinter mir her   … und er ist gleichzeitig auch der Inhaber der Firma, weißt du   … Ich bin ihm aus dem Weg gegangen   … aber   … aber eines Tages hat er mir zu verstehen gegeben, dass   … dass er mich auf die Straße setzen würde, wenn ich ihm nicht zu Willen wäre   … Du kannst dir ja vorstellen, um was es dabei geht   … Ja, ja, ich weiß, ich hätte mich nicht darauf einlassen dürfen   … aber ich habe mir ausgemalt, wie ich Jofre meine Entlassung hätte erklären müssen   … und er ist doch so eifersüchtig, dass er sicher Krach geschlagen hätte   … und ich wollte ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten   … Und außerdem ist es in meinem Alter unheimlich schwer, noch eine neue Stellezu finden, und du weißt ja, ich bin nicht so intelligent wie Jofre, ich hätte bestimmt nichts gefunden.«
    Dolors ist perplex – und das nicht wegen der diversen »Gefälligkeiten«, die ihre Tochter dem Firmenchef erwiesen haben muss, sondern wegen der Bewunderung und dem blinden Vertrauen, die Leonor ihrem Ehemann nach wie vor entgegenbringt, diesem Chauvi von Jofre, der es nicht nur mit der Ich-dich-auch-Mònica treibt, sondern gleichzeitig auch noch alles dafür tut, dass das ohnehin schon geringe Selbstwertgefühl ihrer Jüngsten von Tag zu Tag kleiner wird. Und was hat er damit erreicht? Dass sie sich nun von ihrem Chef erpressen lässt, der glaubt, wie ein Grundherr von seinen Leibeigenen Liebesdienste einfordern zu können. Jetzt ärgert es Dolors wirklich furchtbar, dass sie nicht mehr sprechen kann, denn sie würde ihrer Tochter nur zu gern ein paar liebevolle Klapse auf den Hinterkopf geben und ihr einen Vortrag halten, so einen richtigen mütterlichen Vortrag, dass sie zwar eine Zimperliese, aber dennoch tausendmal mehr wert als dieser nichtsnutzige Dummkopf von Jofre sei. Schau dich im Spiegel an, würde sie sie auffordern, so wie dein Mann oder Sandra das immer tun, und renn nicht daran vorbei, als hättest du Angst vor deinem eigenen Spiegelbild. Schau dich in aller Ruhe an und mach dir klar, dass du sehr attraktiv sein kannst, wenn du nur willst, trotz deines Alters, wegen dem man dich angeblich nirgendwo mehr nimmt. Kopf hoch, Leonor,

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