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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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nicht mehr an Fuensanta und Leonor auslassen kann. Gegen Teresa ist sie indessen nie ausfällig geworden, wahrscheinlich, weil sie eine so starke Persönlichkeit ist, aber sicher auch, weil sie sich mit ihr gut versteht, obwohl sie beide kein Blatt vor den Mund nehmen – und obwohl Dolors sich gegen unzählige Moralpredigten wehren musste, als die sexuellen Vorlieben ihrer Tochter bei Tanten, Onkeln und Großeltern die Runde machten, die sie allesamt dabei unterstützen wollten, die verlorene Tochter auf den rechtenPfad zurückzuführen. Das war wirklich eine schreckliche Zeit gewesen. Was hätte Dolors damals drum gegeben, wenn ihre Älteste ihre Gefühle nicht so unverblümt zum Ausdruck gebracht hätte. Warum hält sie nicht einfach den Mund?, hatte sie voll Zorn gedacht. Da gibt es doch nichts zu erklären, kein Mensch spricht darüber, wer oder was ihm im Bett gefällt! Doch jetzt ist sie froh, dass alles so kam, wie es kam. Als Teresa ihre Neigungen lauthals verkündete, erstarrten die Verwandten väterlicherseits vor Schreck, sie, die seit jeher auf ihren untadeligen Ruf und schickliches Benehmen bedacht waren, auch damals schon, zu Zeiten der Fabrik, beim Sonntagnachmittagskaffee.
    Noch etwas Schokolade, Dolors?, fragte Eduards Mutter, die anscheinend unmöglich länger schweigen konnte. Nein, danke, gnädige Frau, erwiderte sie artig, und das immer wieder, nein, danke, gnädige Frau, obwohl sie für ihr Leben gern noch ein Tässchen getrunken hätte, die Schokolade war einfach zu köstlich, und es waren nur wenige Gäste zugegen, sodass sie ruhig noch ein bisschen hätte trinken können. Da tat Eduard etwas wirklich Überraschendes: Kommen Sie, flüsterte er ihr zu und zog sie, von den Verwandten unbemerkt, die einem der Monologe der Hausherrin lauschten, in die Küche. Das Mädchen mit Häubchen und Schürze, das immer den Nachmittagskaffee servierte, lächelte nervös, als es sie eintreten sah. Cinta, schenk meiner Freundin bitte noch etwas Schokolade ein. Wortlos nahm die beschürzte Cinta eines der Tässchen aus kostbarem Porzellan und wollte es schon füllen, als Eduard dazwischenfuhr, nein, nein, in so ein kleines Tässchen geht doch nicht viel rein, hol eine große Tasse, und dann: Hier, bitte, Senyoreta Dolors, kosten Sie.
    Und genau diesem verrückten Einfall hatte er es zu verdanken, dass er ihr Herz erweichte und sie auf einmal so etwas wie Sympathie für diesen jungen Mann aus gutem Hause empfand. Er war wie einer dieser Könige, die mit dem Protokoll brechen, um sich bei einem Spaziergang dem Volk zu nähern, weshalb er – als er merkte, dass Dolors eine Schwäche für Schokolade hatte – bei der Eroberung ihres Herzens auch genau an diesem Punkt ansetzte. Fortan schenkte er ihr häufig Pralinen, denen sie nicht widerstehen konnte, und wenn sie sich das Konfekt zu Gemüte führte, schaute er ihr zu und sagte lachend, sie mache ein ganz verklärtes Gesicht.
    Eduard und sie verband die Schokolade.
    Mit Antoni waren es die Bücher.
    Dolors versteht Martís Gefühle in diesem Moment sehr gut, sofern es zwischen zwei Männern die gleiche Art von Liebe gibt wie zwischen Mann und Frau. Aber ist die Liebe nicht sowieso stets die gleiche, wer immer auch die Menschen sind, die sie erleben? Auch wenn die Menschen immer andere sind, die Liebe ändert sich selbst nicht und lässt sich mal bei dem einen, mal beim anderen häuslich nieder. Doch ganz gleich, wie die Zuneigung entstanden ist, die Martí und Dani verbindet: Dolors erkennt den Silberstreifen am Horizont, was sie erfreut und sogar das Kätzchen vergessen lässt. Sie schließt die Augen und erinnert sich daran, wie wenige Jahre nach dem Bürgerkrieg, in einer Welt voller Elend und in dem trostlosen Häuschen eines armen Arbeiters, der gleiche Silberstreifen am Horizont für Antoni und sie aufschien. Sein Kuss begann als banges Locken und wurde bald immer verlangender, versetzte Dolors in einen Rausch, der nie enden durfte. Die Nonnen hattensie gewarnt, Mann und Frau dürften sich nicht berühren, da sonst schlimme Dinge geschähen, doch sie merkte nichts von diesen prophezeiten schlimmen Dingen, denn es war einfach nur wunderbar und fühlte sich an, als ob sie im Himmel wäre und dort für immer bleiben dürfte, denn dieser Kuss durfte nie enden, nie, nie   …
    »Ich bin nicht sicher, was ich fühle, Oma. Ich bin einfach völlig durcheinander. Offenbar habe ich irgendein Gen von Tante Teresa geerbt.«
    Überraschend und doch ganz ruhig ist

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