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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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behandeln wie Jofre Leonor. Es ist wirklich immer das Gleiche.
    Was ist passiert, Dolors? Antoni war verzweifelt, ich kann nicht glauben, was du da sagst, es kann doch nicht sein, dass du dich von einem Ring hast blenden lassen, von diesem Ring da – Dolors trug ihn demonstrativ am Finger   –, so bist du doch nicht, Dolors, da steckt doch etwas anderes dahinter!
    In ihrer Not war Dolors gleich aufgebraust: Nein, da ist nichts, es ist nur aus und vorbei, leb wohl, adieu. Bis heute kann sie sich nicht recht erklären, wie sie ihm gegenüber so frostig sein konnte. Wahrscheinlich, weil sich mit einem Kind unter dem Herzen nicht länger alles nur um einen selber dreht und man seine eigenen Wünsche beiseiteschiebt. Sie konnte Antoni jedenfalls nicht die Wahrheit sagen, denn wie hätte er wohl reagiert? Womöglich hätte er es in aller Welt ausposaunt oder sie sogar gezwungen, zu ihm in seine Baracke zu ziehen, dachte sie damals voll Furcht, ein Arbeiter schämt sich sicher nicht, vor der Hochzeit ein Kind gezeugt zu haben, die richtige Reihenfolge halten nur die Leute aus besseren Kreisen ein, die sich diesen Luxus erlauben können.
    Antonis Lächeln erstarb auf seinen Lippen, kaum dass sie gesagt hatte: Es ist aus, ich habe mich mit Eduard verlobt,wir heiraten nächsten Monat. Doch als sie kehrtmachte, lief er ihr wie ein Hündchen hinterher, den ganzen Strand entlang, es reicht, verschwinde, verschwinde aus meinem Leben, fuhr sie ihn schließlich an. Aber warum? Sag mir, warum? Was ist denn passiert? Antoni ließ alle Vorsicht außer Acht und lief ihr weiter nach, kam immer näher. Da wandte sich Dolors noch einmal um und zeigte auf den Ring: Ich glaube, mit ihm werde ich ein besseres Leben haben als mit dir. Zuerst entgegnete Antoni nichts, er war zur Salzsäule erstarrt. Mit jenem Satz hatte sie ihm das Herz gebrochen, und Dolors war sich dessen durchaus bewusst, weil ihres zugleich in tausend Stücke brach, weil Antoni und sie das Gleiche fühlten. Sie war kurz davor, sich umzudrehen und ihre Verlobung mit Eduard rückgängig zu machen, den Ring ins Meer zu werfen, Antoni anzuflehen, er möge ihr verzeihen – doch sie tat es nicht. Stoisch spielte sie ihre Rolle weiter, ließ ihn einfach stehen und vergoss nicht eine einzige Träne, bis sie in ihrem Zimmer war, im Ohr noch Antonis letzte Worte, die er ihr hinterhergerufen hatte: Ich werde nie aufhören, dich zu lieben.
    Ich habe es für dich getan, Teresa. Für dich, die du dich so wenig mit dem Mann verstanden hast, der nach außen hin vorgab, dein Vater zu sein. Zwar hatte Eduard sich bemüht, sie nicht anders zu behandeln als Leonor, das muss sie ehrlich zugeben. Doch es gelang ihm nicht, die beiden gleich zu lieben, und als Teresa ihm dann ihre sexuellen und politischen Grundsätze verkündete, da warf Eduard Dolors vorwurfsvolle Blicke zu, die alles sagten: Da siehst du, nach wem sie kommt, die Revoluzzerin.
    Was konnte Antoni für den Charakter ihrer Ältesten? Nichts, aber auch gar nichts. Antoni war weder homosexuellnoch einer, der für die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse seines Standes auf die Barrikaden gegangen war. Doch Eduard wollte damit sagen, dass er nicht zu den besseren Kreisen gehörte und seine Tochter darum abnorme Ansichten vertrat und sich so selbst zum schwarzen Schaf gestempelt hatte. Dolors bot ihm zwar mit einem gleichfalls missfälligen Blick die Stirn und flehte ihn die ganze Nacht an, Teresa nicht zu verstoßen, ohne Antonis Namen auch nur mit einer Silbe zu erwähnen, doch der Schachzug führte nur zu einem Matt.
    Was für Tragödien, denkt Dolors nun, und wie lange es doch dauert, bis die Erinnerung daran nicht mehr schmerzt. Wie sagt man so schön? Die Zeit heilt alle Wunden, doch muss man anscheinend erst fünfundachtzig werden, bis man in aller Deutlichkeit erkennt, dass man, blickt man auf seinen Lebensweg zurück, besser nicht alles so wichtig genommen hätte.
    Dolors sieht nun wieder zum Sofa hinüber, wo Martí seine leise weinende Schwester liebevoll an sich drückt. Als sich sein Blick mit dem der Großmutter kreuzt, zwinkert er ihr verschmitzt zu und verdreht die Augen. Martí ist nicht nur nett, sondern für sein Alter auch schon unheimlich weise, denkt Dolors voll Rührung, wenn es doch nur mehr Menschen gäbe, die so sind wie er, er hat mehr Verstand und Herz als Leonor und Jofre zusammen, bestimmt, weil er vom anderen Ufer ist, denn bei einem Mann ist eine solche Sensibilität ansonsten

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