Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
hörte, doch Leonors Reaktion verstand sie noch viel weniger. Einmal mehr kuschte sie nämlich vor ihrem allmächtigen Gatten und schwieg, weil sie nicht wusste, wie sie diesen Schwachsinn parieren sollte, sie wirkte wie eine verschreckte Maus, die in der Falle saß und nicht einmal das Stück Käse verspeisen konnte.
Und wieder rettete Martí die Situation, diesmal mit einer gehörigen Portion Ironie: Du hast recht, Papa, wir sind echt arm dran, wenn Mama auf Reisen geht. Wir werden verhungern und verdursten, weil wir keine Ahnung haben, wie man die Mikrowelle bedient oder sich ein Rührei macht. Das saß: Jofre wagte es nicht länger, aufzumucken, was Leonor staunend zur Kenntnis nahm, während Dolors sich schnell wieder über ihr Strickzeug beugte, damit ja keiner mitbekam, wie sehr sie sich darüber freute. Und wann gibt es Abendessen?, brummte Jofre schließlich nur, bevor er sich hinter seiner Zeitung verschanzte.
Philosoph des Widerstands, ha, dass ich nicht lache! Dolors erinnert sich genau daran, mit welchen Worten Leonor ihr den langhaarigen Hallodri vorgestellt hatte: Ihr werdet gut miteinander auskommen, weißt du, meine Mutter verstehtauch was von Philosophie. Damals hatte Dolors sich sehr darüber gewundert, dass ihre Tochter sie so wenig kannte, denn ihre Philosophie hatte nichts, aber auch gar nichts mit der von Leonors Freund gemein, eigentlich standen sie sogar in radikalem Gegensatz zueinander.
Teresa, die damals noch daran glaubte, die Welt verändern zu können, hatte sich zunächst noch gut mit ihm verstanden, sich aber bald mit ihm überworfen. Wenn ihre Älteste sie nun bei Leonor besucht, ist Jofre nicht zu Hause. Normalerweise kommt sie am Sonntagvormittag, um ihr zu erzählen, dass die Politik in Madrid immer komplizierter wird und die Flugzeuge nach Barcelona immer voller sind, und sie überbringt ihr auch Grüße von Eli, mit der sie nun schon seit vielen Jahren zusammen ist. Gut siehst du aus, Mama, sagte sie beim letzten Mal zu ihr, und Dolors zeigte ihr daraufhin stolz, wie weit sie mit dem Pullover war. Wenn du mit Sandras fertig bist, strickst du mir dann auch einen? Weißt du, in Madrid ist es im Winter immer furchtbar kalt. Du musst ihn allerdings breiter machen, ich habe ein bisschen mehr auf den Rippen als meine Nichte, sagte Teresa schmunzelnd und drehte sich einmal um die eigene Achse. Daraufhin mussten beide kichern. Sie vermissen ihre Reibereien, denn seit Dolors nicht mehr sprechen kann, können sie sich nichts mehr an den Kopf werfen so wie früher – was wirklich jammerschade ist.
Ich hatte mich so auf einen Stammhalter gefreut. Aber dem ist nun ja leicht abzuhelfen, oder? Völlig überrascht über die Veränderung in Eduards Tonfall hatte Dolors aufgehorcht: Was willst du damit sagen? Nun ja … dein Antoni könnte uns ja sein Haus überlassen haben, damit wir uns dort treffen … Ich meine, dass du nicht mit ihm … sondernmit mir … und dann habe ich dich geschwängert … und deshalb heirate ich dich jetzt. Was hältst du davon?
Wie, was sie davon hielt?! Du lieber Himmel, das war völlig absurd! Natürlich dürftest du ihn dann nicht mehr länger treffen, fuhr Eduard fort, und ich hätte dich und den Sohn, den ich mir so sehr gewünscht habe. Um mit keiner unserer beiden Familien Scherereien zu haben, sollten wir auch gleich heiraten. Dolors war wie vom Donner gerührt. Und es stört dich nicht, fragte sie schließlich, dass ich einen anderen liebe und von ihm schwanger bin? Eduard schwieg einen Augenblick. Na ja, stören tut es mich schon, Dolors, aber Gefühle können sich ändern, und du wirst schon noch lernen, mich zu lieben, das braucht einfach nur etwas Zeit.
Erst später erfuhr Dolors den tatsächlichen Grund, warum Eduard um ihre Hand anhielt: Cinta hatte überall verbreitet, was der Sohn der Fabrikanten ihr angetan hatte, woraufhin keine anständige Frau – das heißt keine Frau aus besseren Kreisen – mehr etwas von ihm wissen wollte. Deshalb war ihm nur Dolors geblieben, die ebenfalls der schändlichen Versuchung erlegen war. Und obendrein konnte er es noch so arrangieren, dass es nach außen hin so aussah, als hätte sie ihre Unschuld in Eduards Armen verloren.
Dolors erinnert sich, dass sie seinen Antrag damals schon widerlich fand, obwohl sie von all dem noch nichts wusste; sie fand es einfach widerlich, dass er sie heiraten wollte, obwohl er genau wusste, dass sie ihn nicht liebte. Sie wollte schon aufstehen und Eduard
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