Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
nicht geduldig ist, gibt es nicht. Bestenfalls ist er ein opportunistischer Schlaumeier, mehr nicht. Und Eduard war nicht einmal das.
Ihn vom Balkon zu schubsen kam nicht in Frage. Vergiften, erschießen oder erstechen ebenso wenig. All das würde sie früher oder später ins Zuchthaus bringen. Und das Auto? Sie konnte einen Unfall vortäuschen … Das gefiel ihr schon besser, sie brauchte nur darüber nachzudenken, wie man die Bremsen blockieren könnte. Das wargut, ja, doch es hatte den Nachteil, dass immer festgestellt wird, wenn jemand seine Hände im Spiel hatte, und dass es nicht den sicheren Tod bedeutete, sondern durchaus die Möglichkeit bestand, dass er querschnittsgelähmt überlebte. Und das hätte Dolors gerade noch gefehlt.
Woran denkst du?, fragte Antoni sie oft, während sie mit dem Mund Ringe aus Rauch formte. Dieses Laster hatte sie Antoni zu verdanken. Zunächst rauchte sie allerdings nur, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, erst später rauchte sie, wenn sie nervös war. An dich, an wen denn sonst?, erwiderte Dolors lächelnd, und das in einer Zeit, in der sie den lieben langen Tag grübelte, wie und wann sie Eduard aus dem Weg räumen konnte. Sie dachte immer daran, sogar, nachdem sie gerade mit Antoni geschlafen hatte. Im Grunde war sie in diesen Augenblicken am meisten von ihrem Vorhaben überzeugt, denn gerade da wurde ihr der Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Mann immer bewusst. Es war ganz einfach: Der zu Hause war kein Mann.
Während sie gestern mit dem Kätzchen gespielt hat, hat Sandra den Bauchnabelring ihrer Mutter entdeckt. Dolors weiß nicht, wie, sie hat es nicht gesehen, sie hat nur den erstaunten Aufschrei gehört: Was hast du denn da, Mama? Dolors spitzte die Ohren, um Leonors beiläufige Antwort zu verstehen: Gefällt es dir etwa nicht? Sandra verhaspelte sich bei der Antwort, ja, doch, natürlich, ich weiß nicht … Es ist nur so … von dir hätte ich das nicht erwartet … Denkst du, nur du kannst so etwas tragen? Aber ich habe ja noch nicht mal eins, Mama; eigentlich hätte ich ja furchtbar gern ein Zungenpiercing, aber ich habe keine Kohle. Und dann wurde Dolors Zeugin, wie die Mutterdie Tochter erpresste, ich gebe dir das Geld, wenn du nicht herumerzählst, dass ich eins habe. Du sprichst mit niemandem darüber, abgemacht? Ich will nämlich nicht, dass die Leute tratschen. Das Unschuldslämmchen Sandra hat bestimmt gedacht, dass ihre Mutter es für ihren Vater stechen ließ.
So ist das, im Leben wie in den Beziehungen, ein einziges Geben und Nehmen, es gibt nichts umsonst. Leonor sucht einen jungen Körper, und der junge Mann sucht Erfahrung. Bei Jofre und Mònica muss es genauso sein.
Du bist ein Luder, sagte Sandra neulich zu Mònica, als die beiden vor ihr auf dem Sofa saßen. Echt, wie du den Mathelehrer ansiehst und ihm da vorn in der ersten Reihe deine Beine präsentierst. Pst, sei still, sagte Mònica entsetzt und schaute sich nach allen Seiten um. Der Gedanke, Jofre könne sie vielleicht hören, bereitete ihr anscheinend Sorgen, Dolors’ Schwiegersohn war bestimmt ungeheuer eifersüchtig. Sogar bei Leonor, und jetzt erst recht, da sie ihm zu entgleiten scheint, so wie Dolors Eduard entglitten war, nur dass sie ein kleines bisschen cleverer war als Leonor. Jofre merkt, dass seine Frau sich nicht mehr darum kümmert, was er sagt, was er will, was ihm gefällt. Dass er keine Dienerin mehr hat, dabei hat es ihm so gefallen, dass er für jedes Bedürfnis eine andere Frau hatte, eine zum Herumkommandieren und eine für seine anderen Bedürfnisse. Sofern er nicht noch mehr hat, aber das glaubt Dolors nicht, denn Jofre ist ganz hin und weg von der kleinen Mònica, die gar nicht mehr so klein ist, sondern groß wie ein Model. Und offensichtlich ist er ihr nicht mehr genug. Jetzt ist sie also auch hinter dem Mathelehrer her. Der Unterricht muss sie wirklich sehr langweilen.
Wer sich allerdings kein bisschen langweilt, ist Leonor. Sie hat sogar einen anderen, aufrechteren Gang, trägt taillierte Kostüme und Stöckelschuhe, und wenn sie nach Hause kommt, sagt sie, mein Gott, tun mir die Füße weh. Sie wirkt verändert, sieht sogar ein paar Jährchen jünger aus, Donnerwetter, Leonor, du bist echt nicht mehr wiederzuerkennen, würde Dolors sie gern loben. Anscheinend hat ihre Tochter entdeckt, dass auch sie imstande ist, die Welt und vor allem diesen Burschen mit seinen fünfundzwanzig Jahren zu erobern.
Leonor wollte immer im weißen
Weitere Kostenlose Bücher