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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanca Busquets
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nebenher studiere ich natürlich weiter.«
    Martí ist sich seiner Sache sicher, er weiß genau, wie er es seiner Familie beibringen muss, und Jofre wagt keinen Kommentar. Also ist es wieder Leonor, die fragt:
    »Willst du dir das nicht erst noch mal überlegen? Du bist doch noch so jung   …«
    Aha, noch ein Themenwechsel, allerdings ist dieser Dreh schon erheblich delikater. Martís Antwort aber ist genauso durchdacht wie die vorherige.
    »Irgendwann muss man damit anfangen, eigene Erfahrungen zu sammeln, Mama.«
    Jofre sagt immer noch kein Wort. Immerhin nimmt er jetzt die Gabel und isst ebenfalls weiter. Martí gibt sich mit dieser feigen Haltung seines Vaters jedoch nicht zufrieden.
    »Und du willst gar nichts dazu sagen?«, fragt er ihn nun geradeheraus.
    Die Spannung ist nun auf dem Höhepunkt. Jofre schautlangsam von seinem Teller auf. Genauso muss er es an dem Tag gemacht haben, als er Mònica zu einem Drink eingeladen hat, denkt Dolors und spinnt für sich die Szene weiter. Er hat von seinem Glas Cola aufgeschaut und zu ihr gesagt, du bist ganz schön groß geworden, Mädchen. Und das auf eine Art, die ihr sicher gefallen hat, und bestimmt hat sie ihm ihrerseits mit einem Kompliment geantwortet, das Männern wie Jofre den Sabber aus dem Mund laufen lässt. So etwas wie: Und dir sieht man dein Alter gar nicht an. Im Gegensatz zu diesen Grünschnäbeln bei mir in der Schule bist du so viel reifer und erfahrener, das finde ich echt toll. Vermutlich hat das durchtriebene Gör dabei noch ein bisschen an ihrem Ausschnitt herumgezupft, Mònica hat einen schönen Busen und weiß ihn gut in Szene zu setzen, Sandra versucht das ja auch, aber sie hat leider nicht so viel vorzuweisen. Und so muss in Gang gekommen sein, was bei jedem Mann passiert, wenn eine Frau ihre weiblichen Reize spielen lässt, und erst recht bei einem wie Jofre, der sämtliche Schwächen der Männer hat, aber keine einzige ihrer starken Seiten. Dolors ruft sich zur Ordnung, na ja, gut, irgendeine wird er sicher haben, jeder hat irgendeine gute Eigenschaft, auch wenn er einem selbst unsympathisch ist. Doch in Jofres Fall muss die sehr gut verborgen sein, Dolors hat sie in all den Jahren jedenfalls noch nicht entdeckt.
    Auch Eduards Qualitäten blieben samt und sonders gut verborgen. Ihn zu töten war der einzig mögliche Weg. Doch während sie hin und her überlegte, wurde Dolors bewusst, dass sie darüber nicht einmal mit Antoni sprechen konnte, denn er würde es auf keinen Fall verstehen. Vielleicht mit Mireia   … aber es war besser, kein Risiko einzugehen. Esist nun wirklich zu viel verlangt, wenn jemand dafür Verständnis haben soll, dass es für einen Menschen und sein Umfeld das Beste ist, wenn man ihn aus dem Weg räumt. Wenn man geschnappt und einem der Prozess gemacht wird, ob mit mildernden Umständen oder ohne, dann geht man für etliche Jahre ins Gefängnis. Und Dolors hatte nicht die geringste Lust, ihr halbes Leben im Zuchthaus zu verbringen, die Vorstellung behagte ihr gar nicht. Und deshalb musste sie das perfekte Verbrechen begehen. Eduards Tod durfte nicht im Entferntesten nach einem Mord aussehen.
    Sie sah ihm beim Fegen zu und hatte nun, neben Hass und Mitleid, zumindest die Aussicht auf konstruktivere Gedanken. Sie hatte keine Eile, sie musste alles bis ins Kleinste vorbereiten, es musste nach einem natürlichen Tod oder einem Unfall aussehen. Das war eine Herausforderung für Dolors, und während sie noch grübelte und tausend Einfälle hin und her wendete, die sie letztlich doch nicht überzeugten, stellte sie fest, dass sie mit ihrem Leben eigentlich ganz zufrieden sein konnte. Sie hatte Antoni, sie hatte eine Arbeit, die ihr gefiel, und nun außerdem noch die Gelegenheit, ihre Intelligenz auf die Probe zu stellen.
    Mit dem Vorderteil ist sie jetzt bald fertig, nur noch ein paar Reihen, und sie kann abketten. Gestern erst hat sie das Gestrickte hochgehoben und sich noch mal genau angesehen. Der Pullover wird wirklich schön, alle – außer Sandra natürlich – loben sie, wenn du mit dem fertig bist, Oma, sagen sie, dann strickst du auch einen für mich, nicht wahr? Alle sagen das Gleiche, als hätten sie sich abgesprochen. Und Dolors nickt lächelnd, denkt aber insgeheim, da kannst du lange darauf warten. Nur für Martí wird sie noch einen machen. Denn Martí ist eben Martí,und er hat das Kätzchen in seinem Computer, obwohl jetzt   …
    Dolors erschrickt und lässt ihre Gabel laut klappernd auf den Teller

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